Platonakademie (89). Zweifel an allem? / „Ich denke, darum bin ich“ / Logik und mathematische Erkenntnis beruhen letztlich auf sozialem Vertrauen

Platon-Akademie, 8. November 2011

Es ist wohlbekannt: Wissenschaftliche Logik benützt Begriffe. Jeder, der ihnen auf der Suche nach Gewissheit nachgeht, wird umgangssprachliche Antworten erhalten, die neue erklärungsbedürftige Begriffe heranziehen, und diese tun es wieder usf. Wer absolute Gewissheit sucht, steht vor dem Unendlichen.

Beispiel: „a ist gleich b“. Versuchen wir klar zu machen, was „ist“ bedeutet und was „gleich“, so folgen wortreiche Erklärungen, auf deren Sprache wir vertrauen müssen. Auch Symbole helfen da nicht weiter, auch sie müssen erst verbal erklärt werden. Formal-logisches „^“ z.B. bedeutet „und“, und „v“ bedeutet „oder“. Aber was bedeuten „und“ und „oder“? Jetzt wird es sehr schwierig. Dasselbe ist es mit + und = usw. Allgemeinverständlich gefragt: Was schreiben Außerirdische für + und =, wenn sie uns eine logische Botschaft schicken wollen?

Vor Wörtern und Symbolen steht ein der Sprache unkundiger Mathematiker wie einst Jean Champollion vor den Hieroglyphen. Erst nachträglich, nachdem man die Bedeutung „kennt“, kann formale Logik daraus konstruiert werden, die aber letztlich dann dem guten Willen entsprungen ist.

Als Grundlage der klassischen Mathematik ist die formal-abstrakte Logik sicher hilfreich, aber letztlich kann man die Regeln der Mathematik genauso gut spontan glauben und sich dafür von einer gewissen Stimmigkeit der Ergebnisse überzeugen lassen. Diese Erfahrung macht jeder gewöhnliche Schüler, und es ist charakteristisch: Die formale Logik wurde erst erfunden, nachdem schon viel Mathematik formalisiert war.

Warum verlassen sich dann überhaupt Menschen so hundertprozentig auf Mathematik? Antwort: Menschen wollen(!) auf Mathematik vertrauen, weil sie ein Interesse an Klarheit und Konsens haben. Was „Interesse“ ist, kann am besten mit dem Kosmma-Prozess (PM(68)) erläutert werden: Es gibt (bei allen Lebewesen) das Motiv, sich mit dem Artgenossen möglichst schnell und sicher zu verständigen, auch ohne Sprache. Damit landet die Logik auf dem Flughafen der ererbten Sozial-Instinkte. Jeder Mensch lehnt es (normalerweise) ab, die Umgangssprache immer weiter zu hinterfragen, denn er stört sein inneres Gleichgewicht (früher Harmonie genannt), wenn er sich vom sozialen Kommunikationsnetz entfernt. Außer ein anderes Motiv, etwa das Statusmotiv, überbietet das Kommunikations-Interesse. Auch dieses ist wieder ein Sozial-Motiv.

Nach René Descartes gibt es nur eine einzige nicht bezweifelbare Aussage: dass ich selbst existiere. „Ich denke, darum bin ich“ lautete seine Erkenntnis. Alles andere sei unsicher. Gerade diese Ereknntnis ist nicht formalisiert! Wahrscheinlich (falls die Außenwelt des Ich nicht unabhängig existiert (PM(87)) ist Decartes nichts hinzuzufügen. Das Ich ist ein Eines und hat nicht zufällig mit der Gegenwart zu tun, dem einzigen Zeitpunkt der Wirklichkeit. Das Axiom „es gibt die Zahl 1“ ist vermutlich substanzieller Ausgangspunkt der Wirklichkeit. Die GB ist nur eine Anwendung der Eins mit Hilfe logischer Rechenregeln und Axiome (z.B. Peano-Axiome): Auf der Einheit der Zeit (t° = 1), worin fließende Zeit und konstantes Zeitintervall zusammenfallen (PM79)), baut dann das Axiom Gegenwartsbedingung zusammen mit den Peano-Axiomen die Folge

1 mal 1 = 1; 2 mal 1 = 2; 3 mal 1 = 3; …

auf, in der sich die Entwicklung des TFT-Universums K* ausdrückt (PM(17)). Aber all dies ist ohne umgangssprachliche Erklärung nicht zu vermitteln.

Literaturhinweis: G.I. Ruzavin, DIE NATUR DER MATHEMATISCHEN ERKENNTNIS, Berlin 1977

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Die 1995 erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. Es geht ihr aber nicht um die Fortsetzung der spekulativen Philosophie Platons, auch Textkritik ist die Ausnahme. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens die richtige Antwort auf die von Platon gestellten Fragen nach der letzten Ursache der Naturgesetze und nach der Gesellschaftsordnung zu finden. Sie wurde 529 von der Kirche geschlossen. Leitung: Anton Franz Rüdiger Brück, geb. 1938, Staatsangeh. Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Pädagogik, Philosophie. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst.
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