Platonakademie 274. Ein Buch korrigierte 1964 den Anthropozentrismus und war Vorschau auf Montreal im Dezember 2022 *) (Zeilen 10 bis12 korr. a. 8.11.)

Platon-Akademie, 7. November 2022

Der Journalist Dingo Zamberoni stieß bei Unterhaltungen mit US-Amerikanern immer wieder auf Ratlosigkeit. Zu ihr kam es, wenn es um die Frage ging „Demokratie oder Monokratie?“ Warum tauchte aber dabei die Ökologie nicht auf?

Die Antwort ist einfach: Ratlosigkeit motiviert Diskussionen; doch die Wissenschaft vom hyperkomplexen Netzwerk genetischer Gesetzmäßigkeiten der Biosphäre ist so wenig diskutierbar wie die Welt der Sterne. Die Biosphäre hat drei bis vier Milliarden Jahre Entwicklungsgeschichte investiert.

Aber die Politik der Hochkulturen wird sich noch lange über alle biologischen Gesetze stellen.

Schon 1964, in der Zeit als die Grünen und der Club of Rome gegründet wurden, erschien ein kleines Buch mit dem Titel „Krone der Schöpfung? Der Mensch schafft das Zeitalter der Wüste“. Es verglich die exponentielle Wachstumskurve der Menschheit mit den ebenfalls exponentiell wachsenden Kurven von Schädlingsepidemien, damals eine infame Schlussfolgerung, weil sie den Anthropozentrismus zügelte. Das Buch gab es denn auch nur einige Jahre. Weist man aber heute in privaten Gesprächen auf die Ähnlichkeit zwischen wuchernder Menschheit und Schädlingsepidemien hin, ist interessanterweise nur noch selten jemand dabei, den das auf Anhieb schockiert; zumal der Einzelne ja genau so wenig wie ein einzelnes Insekt im Ökosystem zum Schädling werden kann. Das Problem ist nicht er, sondern nur die Übervölkerung.

Um sie zu rechtfertigen, wird man in Montreal womöglich weniger die schuldigen Industrieländer zur Rettung der Natur heranziehen wollen als die Länder von Eingeborenen**). Bei denen gibt´s nämlich noch was zu holen.

In diesem Jahrtausend ereignet sich also die zweite Korrektur unseres Status als Mittelpunkt der Welt: Zum ersten Rückzug des Anthropozentrismus kam es vor 500 Jahren, als die Menschheit ihren Wohnsitz Erde als astronomischen Mittelpunkt der Welt räumen musste, weil Mittelpunkt die Sonne ist. Heute folgt der zweite Schritt: Der Verzicht auf die biologischen Sonderrechte der Menschheit. Wir beginnen aufzupassen, dass wir mit Erderwärmung und Ausrottungen der Natur nicht in die Kreidezeit zurückfallen oder die Biosphäre gar mit ins Perm zurückreißen.
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*) Siehe u. a. den Artikel von Benjamin von Brackel in der SZ vom 4.11.22, S. 20.
**) Jean Jacques Rousseaus „Zurück zur Natur“ meinte noch vor allem das Zurück zu einem natürlichen Menschenleben, von dem die Ideale des Adels weit entfernt waren.
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Die 1995 von Anton Franz Rüdiger Brück gegründete Platon-Akademie Rosenheim (PA) versteht sich als Ergänzung der antiken. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens Antwort zu finden auf die von griechischen Philosophen geahnte Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform (vgl. PM(239)). Vor allem ist sie als Internet-Akademie aktiv. Sie strebte bisher keinen juristischen Status an (Verein etc.). 


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