Platon-Akademie
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Zur PressemappeIn PM(247) war die Rede von den kommunizierenden Mitgliedern einer Privatsphäre: Mehr als 20 Personen einer solchen Gruppe (Säuglinge und inaktive Greise nicht mitgerechnet) überblicken einander, wenn´s pressiert, immer schlechter. Beispiele: Schulklasse, Feldspieler im Fußball, Familien im Filmtheater u.a. Warum eine einheitliche Begrenzung? Offenbar gehorcht die Sozialpsychologie nicht philosophischen Ideen, etwa ideologischen Diktaten, sondern einem Naturgesetz, das sich wie ein Axiom analysieren lässt. Genau gesagt: Die 20 hat eine mittlere Gauß´sche Streuung bis schätzungsweise 24 oder 25.
Die inneren Verhaltensmotive eines Einzelmitglieds sind dynamisch. Die PA hat sie unter der Bezeichnung „KOSMMA“ interpretiert, Abkürzung für „Komplex störungs-motivierter multipler Ausgleich“. In der PM(68) von 2011 wurde der KOSMMA noch langatmig erklärt, heute ist der naturwissenschaftliche Begriff der biologischen Komplexität und ihrer Störungen so weit geläufig, dass man weniger Worte bedarf*).
Seit Alters gehen in der Literatur die Meinungen über das menschentypische Sozialverhalten willkürlich auseinander. Eine statistische Obergrenze der Privatsphäre scheint in der bisherigen Literatur noch kein Thema geworden zu sein. Falls ältere Hinweise darauf bekannt werden, werden sie hier veröffentlicht. Tatsächlich kristallisiert sich immer mehr ein ererbtes strukturreiches Modell heraus, das dem hier dargestellten immer ähnlicher wird.**) Seine Etablierung im Genom muss auf lange Zeiträume zurückgehen, in denen sich die Lebensbedingungen kaum änderten.
Schimpansen haben noch kein kompliziertes Sozialverhalten. Sie leben und lebten in den Regenwäldern durchgehend in ungeregelten Horden bis zu 100 Individuen. Der Regenwald verlangt allerdings auch keine besondere soziale Organisation. Auf den Bäumen sind die Tiere vor Räubern geschützt, und man ernährt sich schlicht von Baumfrüchten, die leicht gefunden werden.
Das endete in Ostafrika, als sich vor mehr oder weniger als 6 Millionen Jahren die Regenwälder zu lichten begannen. Langsam entstand eine Grassteppe, durchsetzt von Einzelbäumen. Die Menschenaffen lebten jetzt nicht mehr einfach nur auf Bäumen in den Tag hinein, sondern mussten eine Lebensgemeinschaft sichern, die sie bekanntlich nicht nur fähig machte, sich auf neue Weise zu ernähren, sondern sich auch gegen große Raubtiere zu behaupten. Sie mussten fähig werden, freie Landschaften aufrecht laufend zu überblicken. Das war eine Entwicklung hin zu einer Menschengestalt.
Die Nahrung bestand jetzt oftmals aus harten Steppenpflanzen, aber wahrscheinlich auch aus Bananen, denn deren umfassend gesundheitsfördernde Substanz entspricht auffallend dem Stoffwechsel des heutigen Menschen. Wir sehen hier dann in der Banane eine wichtige Spur zum Protolithikum.
Allerdings ist es wahrscheinlich, dass es Bananen nicht im Überfluss gab. Diese ostafrikanischen Steppenschimpansen ernteten sie, ernährten sich aber nebenbei notgedrungen auch von Aas , oder gar von Frischfleisch, wo immer es gelang, Raubtieren die Beute abzujagen. Man vertrieb Leoparden, Hyänen, Löwen und andere - wie war es anders möglich? - mit dem Werfen von schweren Steinen. Die Jagd im Sinne von Kampf gegen Raubtiere wurde mit zum Alltag.
Welche Sozialstruktur für dieses Leben nötig war, lässt sich ziemlich sicher aus der heute beobachteten Zwanziger-Grenze der Privatsphäre erschießen. Einblick erhält man, wenn man die Arbeitsteilung rekonstruiert. Allem voran lässt sich die Zahl der Männer abschätzen. Daraus schließt man dann leicht auf die Zahl der Frauen.
Kümmerten sich nämlich um die Vertreibung eines Raubtiers zu viele Männer, sagen wir 30 oder 40, dann kam es hinterher zum Streit um die besten Fleischstücke. Es mussten also weniger Jäger sein. Angenommen es waren weniger als 5, dann konnten sie oftmals die Raubkatze, insbesondere den Löwen, nicht vertreiben. 5 ist demnach die wahrscheinlichste Zahl der (erwachsenen) Männer in der Urfamilie. Auf der anderen Seite: Für die Führung des Nachwuchses in die Zukunft waren selbstverständlich nicht diese regelmäßig abwesenden Männer brauchbar, so dass die Aufgabe nur Frauen zufiel. Schließlich brachten ja sie die Kinder zur Welt. (Greise ohne Lebenserwartung konnten nur noch Zuschauer spielen).
Weit konnte die Zahl der Frauen von der der Männer nicht entfernt sein. Wenn die Urschimpansen ein nicht allzu weit von 1:1 entferntes Geschlechterverhältnis hatten, so wie Menschen heute, lässt auf ebenfalls rund 5 Frauen schließen, was die heranwachsenden Kinder dann auf runde 10 festlegt. Von ungeordneter Sozialstruktur konnte daher im „Protolithikum“, der Zeit zwischen 6 und 2,5 Mio. Jahren, keinesfalls die Rede sein, auch falls die Zahl der Männer und Frauen etwas unterschiedlicher war.
Die überschaubare, neue Landschaft leitete wegen des erforderlichen aufrechten Ganges die Umgestaltung der anfänglich für Baumbewohner typischen Greiffüße in die heutige Fußform über. Ein hochkomplexer Vorgang. Denn er betraf die Gelenke, die Wirbelsäule, das Becken, die Lage des Hinterhauptloches usw., v.a. aber das alle Einzelheiten koordinierende Nervensystem. Zum Gelingen dieser Zusammenhänge müssen die neuen Umweltbedingungen über lange Zeit weitgehend unverändert geblieben sein. Das „Protolithikum“ (PA) ermöglichte die genetische Anpassung, denn immerhin waren 30 bis 40 Jahrhunderttausende nötig! Nach dem Protolithikum - im Paläolithikum also - regierte bekanntlich dann die geplante Herstellung von Steinwerkzeugen. Der Frühmensch konnte sich damit besser durchsetzen.
Wahrscheinlich haben diese besseren Voraussetzungen im Paläolithikum die Struktur der Urfamilie noch nicht gelockert. Man darf nicht vergessen, dass die Urfamilie ja aus ihrem Bedarf an Entwicklungszeit zu Beginn des Paläolithikums bereits fest angeboren sein musste. Ihre Verhaltensmotive waren so gesehen stabil.
Folgende Liste
ist eine Zusammenfassung mit Erläuterungen
I. Bleibende Erinnerung an südliche Breiten
Dass heute stabile Sommertemperaturen zwischen 20 und 30 Grad die Menschen anzieht, weist auf die Urfamilie hin. Die gesuchte Temperatur fällt bei Urlaubsbeginn auf. Regelmäßig setzt sich der Hauptverkehrsstrom in Richtung Süden in Bewegung statt nach Norden; sogar nachdem bereits Jahrtausende im Norden verbracht sind. Parallel dazu erzeugt man in Wohnungen diese Lebensbedingungen künstlich. Vergleich: Der Hund, Nachkomme des nördlichen Wolfs, will niedrigere Temperaturen.
II. Der Anblick des blauen Himmels
wie überhaupt die Farbe Blau sagt den meisten Menschen mehr zu als eine sonnenverdunkelnde, regnerische Wolkendecke. Helle Wohnungen heben die Stimmung, dunkle machen depressiv. Das erinnert an Regionen, wo Wolkendecken kurzlebig sind.
III. Hinweis auf die Steppe:
Wenige wollen ihren ganzen Wohnbereich heute noch dicht mit Pflanzen ausstatten. Die Erinnerung an den Regenwald ist geschwunden. Die dünne Bepflanzung einer Wohnung passt auf die Steppen des Protolithikums.
IV. Die Wahl der Pflanzen
Niemand dekoriert das Wohnzimmer mit Nadelbäumen.
V. Sandstrände
Urlaubsorte mit Blick auf weite Wasserflächen werden bevorzugt. Wahrscheinlich lebten die protolithischen Frühmenschen an den Ufern größerer Seen. Der Viktoriasee existiert zwar erst seit 1 Mio. Jahren, aber in früherer Zeit kann sein Bereich zeitweise eine „Landschaft der tausend Seen“ gewesen sein. Auf 10 Mio. Jahre Alter schätzt man den Tanganjikasee. Es gibt weitere große Seen.
VI. Die Rolle der Männer in der heutigen Familie
Dass Männer fast durchgehend außerhalb der Familie arbeiten, ist ein Abbild des Lebens in der Urfamilie. Sie, nicht Frauen, haben auch die Naturwissenschaften beflügelt und setzten damit das Protolithikum fort, wo das Wissen um die Welt zwar erst einmal nur aus der Kenntnis der weiteren Umgebung bestand. Aber bei der Landschaft anfangend, reicht die Wissenschaft heute bis zu den Galaxien, und immer blieb sie Männersache, letztlich verursacht von der einstigen Notwendigkeit, zu wissen was es hinter diesen und jenen Hügeln an Wild gibt, oder wo man den Fluss überqueren kann.
VII. Rolle der Frauen
Das aus der Urfamilie ererbte Wesen der heutigen Frau äußert sich in dem keinesfalls zweitrangigen Wissen um die Gesetze des Familieninneren. Oft zwingen aber leider wirtschaftliche Verhältnisse sie, außerhalb der Familie zu arbeiten. Dass es neuerdings Soldatinnen gibt, hat freilich keinen Sinn. Es zeugt von einer Verirrung des Selbstbildes. Wohnviertel bombardieren, Familienväter abschießen - nichts anderes heißt ist ja Soldatenaufgabe - ist schließlich das Fremdeste, was Frauen jemals anzog.
VIII. Quantitatives Geschlechterverhältnis
Im Falle des allgemeinen Geschlechterverhältnisses um ca. 1:1 beruhte die Urfamilie auf einer Gruppenehe aus 5 Männern und 5 Frauen. Die Monogamie ist sicher nicht, wie der Glaube behauptet, dem Menschen angeboren.
IX. Die Zehner-Ehe ist heute praktisch nicht mehr möglich
Dass eine Gruppenehe (zu unterscheiden von der nicht gewachsenen Patchwork-Familie) heute kaum noch machbar ist, hat konkrete Ursachen. Im Vergleich zum Protolithikum haben sich die persönlichen Unterschiede von Mensch zu Mensch stark vergrößert. Unterschiedliche Bildung und divergierende Erfahrungen, v.a. aus der frühen Kindheit, ferner unterschiedliches Einfühlungsvermögen, unterschiedliches äußeres Aussehen u.a. machen die Harmonie in einer dauerhaften Gruppenehe labil. Auch hat die seit Jahrtausenden auf jedermann einhämmernde Verachtung der Sexualität da und dort die Libido geschwächt, bei manchen Menschen sogar ausgelöscht. Solche Menschen empfinden Erotik als Sucht, die Befassung mit ihr als schlechten Charakter.
X. Partnerschaft
Wäre ein Eheleben zu zweit angeboren, wäre die emotionale Abneigung gegen Scheidungen die Regel. Die Instabilität in der Monogamie äußert sich jedoch meist in der Sehnsucht nach mehr als einem Partner. Auch ob der Kleiderschrank gelb oder grün sein soll, weist als Scheidungsgrund durchaus schon in diese Richtung. Tatsache ist: Nach Ermittlungen der Yale-Universität halten 89% aller Gesellschaften ein eheartiges Zusammenleben mehrerer Partner für normal. Christen schweigen dazu.
Die übliche Form, in der sich die Zehner-Ehe noch direkt zu erkennen gibt, ist der heimliche Seitensprung, der den angeheirateten, monogamen Partner veruntreut und verachtet. Bösartige Eifersucht kann dann ausbrechen und tödlich enden. Allein Verständnis für das Fremdgehen des andern und dessen Ehrlichkeit schaffen Vertrauen, Liebe und Treue über alles. Dafür ist es nötig, dass man sich gegenseitig mitfreut - eine heute übrigens sehr weit verbreitete Lösung.
Die Aufhebung der Fremdheit zwischen Personen erfolgte im Protolithikum durch den Austausch von Frauen und Männern unter entfernt lebenden Nachbarfamilien. Ihr entspricht in geschichtlicher Zeit die Heirat.
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*) KOSMMA besagt: Die Zahl der erblich verankerten Verhaltensmotive - einst Instinkte genannt - stehen nicht starr da. Ihre Zahl ändert sich fortwährend in Sekundenbruchteilen und ist unvorhersehbar. Die Motive werden angeregt durch Störungen der ausgeglichenen biologischen Komplexität des Organismus und sorgen dafür, dass die Störung des biologischen Gleichgewichts wieder hergestellt wird. Motive spalten sich dabei in untergeordnete Motive oder bilden im nächsten Augenblick durch Verschmelzung dominante Formen. Ihre Gesamtheit pro Sekunde ist am besten vergleichbar mit einem Gebirge, dessen Gipfel niedrig sind oder hoch, flach oder spitz oder zu Gebirgsstöcken vereinigt, nur dass dieses sich in geologischen Zeiten ändert.
Ein beliebtes Beispiel ist die Motivsituation einer Gazelle, die zur Tränke will. Alles bis auf den Wassermangel ist in ihr ausgeglichen. Ihr Motiv ist hier der Durst. Mit ihm werden aber viele weitere Motive aktiv, voran die Frage nach dem Weg zur Tränke. Der Weg taucht richtunggebend aus der Erinnerung auf. Unstete Angst vor Löwen stellt sich an seine Seite. Das Motiv erregt die Muskeln, die die Ohren bewegen, den Puls ändern usw: Wo lauern die Raubtiere? Wo also ist eine Geländeerhebung? Wo ist das Gras hoch? Was verraten die Geräusche aus der Umgebung, die Tierstimmen? All das und mehr steuert die Bewegungsrichtung und Schnelligkeit der Gazelle und ist überdeckt von dem Potential des Fluchtmotivs. Alle diese Motive stören also im Grunde die psychische Ausgeglichenheit, das biologische Gleichgewicht des ganzen Organismus. Sie sind komplex störungsmotiviert. Ihr Ziel wird durch komplex multiblen Ausgleich erreicht: Entweder das Wasser ist da, kein Raubtier stört - oder die Gazelle flieht und kommt so zum Ausgleich.
**) Das Thema beschäftigt viele. PM(258) war bereits 191mal aufgerufen, als sie durch die vorliegende Fassung verbessert und ersetzt wurde. Denn die Herkunft menschlichen Verhaltens unterliegt vielen widersprüchlichen Meinungen. Siehe auch Punkt X. in der Liste, und insbesondere: Eibel-Eibesfeldt, DER VORPROGRAMMIERTE MENSCH (PM(240)) sowie sein Buch DIE BIOLOGIE DES MENSCHLICHEN VERHALTENS, 3. überarbeitete Auflage S. 322ff. Neu ist: Dr. med. Johannes Huber: DIE ANATOMIE DES SCHICKSALS, 2019.
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Portrait der Platonakademie. Die 1995 von A. Fr. Rüdiger Brück erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. So wie diese 529 aus Autoritätsgründen von der Kirche verboten wurde, sieht sie sich berechtigt, ohne Mandat wieder zu arbeiten. Dies, zumal sich die „Ideenlehre“ Platons auf Grund von unendlichen Teilmengen unendlicher Universenmengen mathematisch als korrekt erweist (www.platonakademie.de HS V, Gln. I und II). Die PA versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens Antwort zu finden auf die von griechischen Philosophen gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform (vgl. PM(239)). Vor allem ist sie als Internet-Akademie aktiv. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.).
A. Fr. R. Brück, geb. 1938, ist Autor dieser Artikel. Staatsangehörigkeit Deutsch, Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Zuschriften bitte per Post an: s. Impressum in platonakademie.de