Platonakademie(256). Jürgen Habermas untersuchte neuerdings in einem zweibändigen Werk das historische Hin und Her zwischen Glauben und Wissen / Dem Werk fehlt aber die Einbeziehung der letzten 50 Jahre / (Ergänz. am 22.12.19: Eine Fußnote)

Platon-Akademie, 10. Dezember 2019

„Ach, die Suche, warum es die Welt überhaupt gibt, hört nie auf!“ seufzt man amüsiert. Über das uralte Kreisen der Gedanken um Mythen, Glauben und Wissen schuf Jürgen Habermas nun einen 1700 Seiten fassenden Überblick*). Ihm entging aber, dass dieser Gedankenkreisel schon 50 Jahre stillsteht. Denn die etablierte neuzeitliche Grundlagenforschung zitiert nur, was von ihr selbst kommt. Nach ihrer Devise bedeutet Forschen nur beobachten und messen. Es geht nur um die Frage, „wie“ die Welt aussieht - ihre letzte Ursache interessiert nicht.

Damit hat die Neuzeit vorschnell die Antike verworfen. Dem neuzeitlichen Weg folgend, rechnet es Hans Joas (Humboldt-Universität) Habermas hoch an, dass er nicht von einer „Rückkehr ins antike Griechenland träumt, weder zu Platon noch zu den Vorsokratikern“**). Tatsächlich hatten die ollen antiken Griechen jedoch intuitiv die alles umfassende Ursache des Weltganzen - das, was die Welt im Innersten zusammenhält, wie Goethe sagte - klar gesehen. Heráklitos („Man kann nur einmal in denselben Fluss steigen“) hatte um 500 v.Chr. den Anfang gemacht. Dann erkannten Platon („Alles schreitet fort, nichts bleibt stehen“) und Xenokrátes („Die Zeit ist eine sich selbst bewegende Zahl“) dass nicht feste Zeitpunkte das Wesen der Zeit sind. Ausdrücklich der unwillkürliche Zeitfluss ist echte Zeit.***)

Offenbar entging der Antike lediglich der Nutzen der Mathematik für die Analyse dieses Axioms, das heute mit dem universalen Wort „Alles fließt“ präzisiert ist. Sie analysierten es noch auf dem althergebrachten verbalen Weg, der wie der Rand des Kreises keinen Endpunkt hat. Dass die echte Zeit nicht wie gewöhnliche Größen eine frei wählbare Variable ist, sondern eine unwillkürliche, wurde für die mathematische Analyse erst reif, als 1969 bei der Betrachtung des sich ausdehnenden Weltalls auffiel, dass die Gegenwart T auf der Zeigeruhr zugleich das Weltalter bedeutet. Die Entfernungen r der Galaxien können im Augenblick T nur mit 1 multipliziert werden. Mit einem anderen Faktor würde man sie ja radial verschieben. Und wegen r=f(T) war das unbeeinflussbare Fließen der Gegenwart T auch mathematisch analysierbar. Von dieser sog. Gegenwartsbedingung (GB) geht die PA aus. Zuletzt wurde sie in PM(239) Abschnitt IV nochmal im Einzelnen beschrieben.

Sofort rechneten damals einige Forscher die Ableitung der Naturgesetze aus der Zeit zur Philosophie. Auch deshalb, weil die GB die heutigen Messapparaturen trotz deren wahrhaft gigantischer Genialität nicht mehr braucht. 1973 gab es ein Gerichtsurteil, das die Veröffentlichung der GB verbot. So weiß Habermas - wie viele andere - nichts davon, dass der historische Kreisel der Philosophien schon 50 Jahre stillsteht.
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*) J. Habermas, AUCH EINE GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE, 2 Bände, Suhrkamp 2019
**) SZ vom 14.11.2019)
***) Xenokrátes sagt in Wirklichkeit „Seele“, meint mit ihr aber die unwillkürliche Variable, also die Zeit. Siehe in PM(139), IV.

Portrait der Platonakademie. Die 1995 von Anton Franz Rüdiger Brück erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. So wie diese 529 aus Autoritätsgründen von der Kirche verboten wurde, sieht sie sich berechtigt, ohne Mandat wieder zu arbeiten. Dies, zumal die transzendenten „Ideen“ Platons sich mithilfe von unendlichen Teilmengen unendlicher Universenmengen als mathematisch real erweisen (www.platonakademie.de HS V, Gln. I und II). Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens Antwort zu finden auf die von griechischen Philosophen gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform (vgl. PM(239)). Vor allem ist sie als Internet-Akademie aktiv. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.).
A. Fr. R. Brück, geb. 1938, ist Autor dieser Artikel. Staatsangehörigkeit Deutsch, Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Zuschriften bitte per Post an: s. Impressum in platonakademie.de


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