Platonakademie(228). Das weltweite Ethik-Dilemma / Grundlagen / Gekürzt

Platon-Akademie, 19. Februar 2018

Da sich die Inhalte von Universen aus der Unendlichkeit heraus absolut selbst verursachen, ist auch die Motivpsychologie der Lebewesen auf Naturgesetze gegründet. Einen von außerhalb der Universenordnungen (UO: (PM(7), (148), (210), (217), (225)) einwirkenden „Geist“ zu denken, versprach nur solange Erfolg, als die molekularbiologische Komplexität nicht erkennbar war.

In PM(149) und (68) wurde gezeigt, wie die Komplexität mit der Gaußschen Zahl

K = n(n – 1)/2

dargestellt werden kann, wo n z. B. die Anzahl der bei einer Lebensfunktion wechselwirkenden Moleküle ist. (Wegen der stets großen Zahl n ist n – 1 praktisch immer = n.) Ist also z. B. n die Zahl der beteiligten Moleküle, dann stellt K die Anzahl der Wechselwirkungen (Cofunktionen) zwischen den n Molekülen eines Organismus dar, falls jedes Moleküle auf irgendeine direkte oder indirekte Weise mit jedem anderen wechselwirkt. Genau dieses „jedes mit jedem“ ist streng genommen der Fall.

Die Komplexität des Lebendigen beruht letzten Endes auf den Van der Waals-Kräften, die in unbegrenzter Vielfalt komplizierteste Molekülstrukturen ermöglichen. Sie sind in den Gesetzen des Universums inbegriffen - die Frage „warum können sie das?“ beantworten die übergeordneten Universen (PM(210)).

Nimmt man für n nur die um viele Zehnerpotenzen kleinere Anzahl der Zellen eines Organismus - sie fassen die Cofunktion aller Moleküle zusammen -, dann stellt sich die Komplexität natürlich als wesentlich kleineres K dar. Wir bezeichnen daher die Komplexität unter allen Molekülen mit K*, die unter allen Zellen mit K (<<K*). Daraus ergibt sich z. B. für einen kleinen Organismus aus 1 Milliarde Zellen eine halbe Trillion Wechselwirkungen oder Cofunktionen.

Was das bedeutet, sollte der Betrachter von K immer im Auge behalten: Um bis zu einer Milliarde zu zählen, benötigt er bei 8 Stunden Zählarbeit pro Tag unglaubliche 97 Jahre! Eine Trillion Wechselwirkungen in einem Organismus aus 1 Milliarde Zellen kann man erst in etwa 100 Milliarden Jahren abzählen – das ist das siebenfache Alter unseres Universums. Dabei ist hier aber K << K*.

Ein ausgewachsener Mensch besteht aus ca. 100 Billionen, das sind hunderttausend Milliarden Zellen. Alle korrespondieren irgendwie mit allen, mehr oder weniger intensiv. Nierenzellen mit Leberzellen, Neuronen, Muskelzellen usw. In einem Menschen ist also, die indirekten Verbindungen mitgerechnet, K eine Zahl mit 27 Nullen. Auch wenn man die Zahl der augenblicklich ablaufenden Wechselwirkungen ums Hundertmilliardenfache reduziert, weil man indirekte und gebündelte Wechselwirkungen außer Acht lassen will, sind immer noch 16 Nullen übrig: K´= Zehntausend Billionen Cofunktion. Da muss man nicht extra noch nach K* fragen.

Das menschliche Gehirn besteht aus nahezu 100 Milliarden Zellen, speziellen Nachrichtenzellen, die die von der Außenwelt wie auch von inneren Vorstellungen her angeregten Motive kombinieren und gewichten (vgl. PM(68)). Kein Wunder also, dass wir unsere Komplexität als Realität erleben, genannt „Bewusst-Sein“. Das Tier erlebt mit weniger Neuronen die Welt in einfacherem Umfange bewusst. Dem Tier Bewusstsein abzusprechen, ist nur sinnvoll auf der Grundlage der bronzezeitlichen Biologie, die in unserer Religion fortlebt und auf der Unfähigkeit (bzw. dem Unwillen) beruht, komplexe Zusammenhänge zu denken.

Interessant ist es z. B., zu wissen dass 1 g Fleisch - ein kleiner Wurm etwa - aus ca. 1,4 Milliarden Zellen besteht, so dass K beim Regenwurm schon mehrere Trillionen beträgt. So wird klar, warum ein biologischer Organismus Erscheinungen zeigt, die der Stein am Wegrand nicht zustande bringt: Der Unterschied zwischen lebendem und totem Material galt noch vor Jahrzehnten als irrationaler Vitalismus.

Der Wurm kann gezielt Gänge bohren, womit er sich zugleich schützt, und kann sich bei Berührung einringeln. Schon er schätzt also bestimmte Einflüsse als Gefahren richtig ein und reagiert sinnvoll. Die Rede von einem „Geist“, der von außerhalb der Welt eingreift, ist durch die Erklärungsmöglichkeit namens Komplexität also überflüssig geworden. Meinungen wie „der Mensch hat mit dem Tier nichts zu tun“, „Gedankenführung (Kognition) ist von atomaren Strukturen unabhängig“, „das Tier denkt nicht“, „Instinkte sind schablonenhafte Mechanismen“ usw. usf. entstanden mangels Einsicht in die biologische Komplexität.

Wir hören heute am laufenden Band von Tierbeobachtung, die - in vereinfachter Form, versteht sich - Leistungen des Menschengehirns erkennen lassen. So hat man bei Affen Werkzeugfertigung beobachtet. Ein Schwein stellt ein Gemälde her (Erfolgsmotiv Farbenfreude). Eine Katze besänftigt einen schreienden Säugling. Der Hund - auch die Katze - schaut dem Menschen prüfend ins Auge statt dran vorbei, liest darin und entscheidet dann über Gut und Böse. Die Freiheit, nach dem jeweils erregten Motiv zu handeln, ist Freiheit des Wollens.

Somit ist Ethik (als das System der Werte und daraus folgenden Normen) schwerlich nur der Spezies Mensch vorbehalten. Alle Tiere haben und zeigen Wünsche, die aber dann auch ein Wert-Empfinden ausdrücken. Die exzellente Definition von C. Kluckhohn „Werte sind Konzeptionen des Wünschenswerten“ („Spiegel der Menschheit“, Zürich 1951, S. 395) lässt sich auf alle Tierarten ausdehnen. Auch wenn das Tier den Begriff Wert nicht sprachlich beschreiben kann, so erlebt es seine Werte doch emotional und drückt sie durch Blicke aus, die Katze auch durch Schnurren, das Huhn durch Herbeilaufen weil es Futter vermutet usw.

Dass ein Neuron im Gehirn unmittelbar nur mit wenigen anderen korrespondiert, reduziert K nicht wesentlich. K würde nur dann wesentlich reduziert, wenn es im Gehirn organische Regionen gäbe, die absolut isoliert sind. Im Knochenskelett gibt es solche Regionen. Ansonsten ist reaktive Isolierung unwahrscheinlich. Stillhalten auf eine Nachricht unter funktionsreichen Organen ist einkalkuliert. Somit ist auch Stillhalten, absolut gesehen, eine Reaktion. Sogar das Mitreagieren von Gehirnen naher anderer Lebewesen ist real und oftmals sogar sozial geregelt. So entsteht die Komplexität des Ökosystems mit nicht mehr fassbarem Super-K.

Wer nun imstande ist, die Hypothesen vorwissenschaftlicher Glaubens-Religionen - v. a. die Verachtung erblich verwurzelten Verhaltens beim Menschen - zu überwinden (dazu PM(68)) und etwa Erkenntnisse von I. Eibel-Eibesfeldt ohne Vorurteil liest, begreift mit Blick auf die Komplexität sehr wohl, dass Tiere ihr Leben nach Maßgabe eines artspezifischen Werteempfindens führen. Ein befreundeter katholischer Psychotherapeut, der die Gelegenheit hatte mit Eibl-Eibesfeld zu sprechen, begriff die Biologie des Verhaltens nicht: Er habe ihn einfach reden lassen.

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Portrait der Platonakademie. Die Platonakademie wurde 529 von der Kirche aus Glaubensgründen verboten. 1995 erneuert, versteht sie sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. Sie versucht heute, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens die richtige Antwort auf die von Platon gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform zu finden. Bisher war sie nur als Internet-Akademie aktiv. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.). Kontakt: Anton Franz Rüdiger Brück. Staatsangehörigkeit Deutsch. Zuschriften an platonakademie(AT)aol.de.


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