Platon-Akademie
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Zur PressemappeNichts wird mittelfristig die Welt so stark verändern wie die Selbstverursachung der Universen. Ist die Welt ein Gotteswerk, ist allein die Religion die Instanz für Werte und Normen, d.h. die Ethik. Ist die Welt dagegen selbstverursacht, hängt alle Ethik nur noch von der biologischen Natur ab. Das trifft auch für die Ethik der Massengesellschaften zu (über deren Konflikte s. PM(18)).
Die Natur als alleinige Instanz für die Ethik ist für die Menschheit ein Horror. Denn seit der Bronzezeit denkt sie anders. Sie muss dann ihre Selbstüberschätzung aufgeben. Die Ausbeutung der Biosphäre kann sie nicht mehr auf ein „macht euch die Erde untertan“ berufen und auf ein „vermehret euch“. Die Bewertung des grenzenlosen Wachstums der Menschheit orientiert sich an dem Maßstab, mit dem man allgemein das grenzenlose Wachstum von Spezien beurteilt. Der berühmte freie Wille des Menschen - eine Anlehnung an das Gottesideal - kann nur noch die Freiheit bedeuten, nach angeborenen Motiven leben zu dürfen. Man empfindet die Willensfreiheit als etwas Absolutes, weil die Befolgung eigener Motive ja nicht als unfrei auffällt.
Nach solchen Konsequenzen sieht es aus, seit sich ein selbstverursachtes Universum herausstellt (PM(222) bis (224)). Es ist eine Welt im Sinne jenes Ureinen, das die indischen Veden vor 3000 Jahren geahnt haben (genauer darüber in PM(210)).
Es handelt sich indes nur zum Teil um einen Horror. Denn wenn der Mensch keine Sonderstellung mehr hat, ergeben sich unschätzbare Vorteile: Der Streit unter den Religionen, die die Sonderstellung zu begründen versuchen, und der Ethikstreit, der unvermeidlich die Menschen spaltet, geht zu Ende.
Das heißt nicht wenig. Der bisherige Leitsatz z.B. „der Islam gehört zu uns“ war die falsche Formulierung von Menschlichkeit. Wegen der unvermeidlichen Streiterei zwischen christlicher und islamischer Ethik - einen Frieden zu erwarten, ist da naiv - wurde er für die Annäherung verschiedener Völker zur Barriere, was politische Parteien gegeneinander aufbrachte. Diese Barrikade besteht erst dann nicht mehr, wenn die Religionen zerfallen. Für eine einheitliche Ethik ist das einheitliche Bild des Universums Voraussetzung. Dann gehören andere Völker in der Tat zu uns, auch wenn sie nicht räumlich mit uns auf kleinem Raum zusammenleben können. Das ist ökologisch unmöglich.
Die Veden konnten über das Universum seinerzeit noch nichts Sicheres aussagen. Die Inder setzten in der Folge den Gedanken zwar in das allumfassende eine Brahman um, das bis heute nicht als Werk eines Gottes gedacht ist, doch das Brahman war wiederum nur eine Annahme.
Über die gefährliche religiöse Empfindlichkeit in unseren modernen Gesellschaften schrieb kürzlich die pakistanische Journalistin Meera Jamal einen Artikel, dem sie den Titel „Schmelztiegel Deutschland“ gab und den Untertitel „Vorsicht vor zu viel Rücksicht auf religiöse Gefühle“*). Sie schreibt darin: „Warum scheut man sich, religiöse Debatten zu führen? Etwa mit Wissenshaftlern wie dem bekennenden Atheisten Richard Dawkins? … So eine Plattform würde nicht nur Klarheit zwischen verschiedenen Religionen schaffen. Sie könnte auch zum Sieg des gesunden Menschenverstandes beitragen … Es nützt nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Die Probleme können die Aufklärung gefährden, die Europa unter so großen Schmerzen erkämpft hat.“
Und: „Wir, die Gemäßigten (oder Atheisten, wie in meinem Falle), müssen auf der Hut sein, um nur ja nichts zu sagen, das die ‚Gefühle‘ von Muslimen, Juden oder Christen verletzen könnte.“ Salman Rushdie habe sich eine Fatwa zugezogen. Das habe ein absurdes Klima geschaffen, „in dem Menschen Angst davor haben, Fragen zu stellen oder Behauptungen zu widersprechen …“
Es ist wirklich an der Zeit, dass man diese Debatte anstößt. Blockiert wird sie aus allen gut konservierten Richtungen. Angehen muss man hierzulande die deutsche Mentalität. Der Deutsche will seinen Kaffee und seine Ruh. Er nickt, um seines Friedens willen, der Merkelapathie zu, die nicht nur dem Klimawandel viel Freiraum gibt, sondern allgemein dem Raubbau an der Biosphäre, und, ohne dass der Urheberin das offenbar bewusst ist, auch den Diktaturen. „Soll etwa“, fragte sich - zumindest bis zur Wahl am 24. September 2017 - der Deutsche Normalbürger, „zum Teufel noch mehr geschehen als Gemütlichkeit?"
Was brauchen wir mehr als Reden über die Binsenwahrheit „wir müssen Verantwortung übernehmen“?
Höchst aktuell für die Religionskritik war das schon 1968 erschienene Buch Bertrand Russels WARUM ICH KEIN CHRIST BIN**), immerhin eines Mathematikers, eines Denkers. Es gibt Aufschluss auch über die soziologisch zentrale religiöse Sexualethik, kurz das Sechste Gebot. Ferner Richard Dawkins vom Atheismus ausgehendes Werk DER GOTTESWAHN***) Es behandelt viele jener Fantasien, die im 20. Jahrhundert zur Erklärung der Welt ersonnen wurden.
Alles nicht so wichtig? Geht man von Mose aus, dann sicher nicht. Das „Sagen der Bronzezeitler“ ist im Artikel PM(147) angesprochen worden.
In den Jahrhunderten nach der ersten revolutionierenden, wissenschaftlichen Beurteilung der Welt durch Kopernikus reiften die grausamen christlichen Maßnahmen gegen alle Forschung. Sie waren keineswegs weniger brutal als die des IS heute. Im Gegenteil. Die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges kann der IS rein zeitlich gar nicht mehr aufholen. Es gibt eine für das Christentum peinliche über tausendseitige GESCHICHTE DER HEXENPROZESSE 4*). Nach dem Prinzip der Ausrottung wurden Millionen Menschen vor aller Augen abgeschlachtet, die Mission nicht ausgenommen 5*).
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Bei dieser Gelegenheit lohnt sich eine Untersuchung, auf welche Einzelheiten die von Jamal vorgeschlagene Debatte über Atheismus und Religion Bezug nehmen sollte.
Den Zeitfluss, auf dem offensichtlich das einheitlich-rationale Bild des Universums und die Überflüssigkeit schillernder Gottesbilder beruht, haben bekanntlich in der Antike Heráklitos, Platon, Xenokrátes, der heilige Augustinus und Simplikios bemerkt. Simplikios bezweifelte aus interessanten Gründen, dass die Gegenwart unendlich kurz sei. Im Grund ahnte schon Xenokrátes eine ausgedehnte Elementarzeit (zu dieser siehe z.B. PM(2017)).
Spätestens zur Zeit Galileis war mit der Wahrnehmung der griechischen Überlegungen dann Schluss. Das Fließen der Zeit wurde zwar noch von Dichtern besungen, nicht mehr jedoch - meines Wissens - von Forschern überdacht. Diese geheimnisvolle Ignoranz war zunächst einmal von Galileis Methode ausgelöst, der als Erster Erfolg damit hatte, die Bewegung eines Körpers experimentell zu beschreiben. Er maß die konstanten Zeitpunkte, zu denen die Kugel eine bestimmte Marke erreichte.
Physiker nach ihm beschäftigten sich nur noch mit zu feststehenden Zeiten offensichtlichen Tatsachen. Die damit erzielten Einblicke machten die Frage nach tiefliegenden Hintergründen der Naturgesetze unwichtig. Um sie sollten sich Religion und Philosophie kümmern. Im Übrigen stand der Gundlagensuche sowieso die Religion mit ihrem Vorweg-Urteil im Wege. Im 20. Jahrhundert erst häuften sich dann - angeregt durch Planck und Einstein - die Spekulationen über die Entwicklung des Universums. Die Religion tastete man auch da nicht direkt an, sondern respektierte deren, gleichwohl tief gespaltene, bronzezeitliche Fantasiewelt.
Das Distanzhalten zum unwillkürlichen Zeitfluss hatte neben dem vordergründigen Empirismus und der uralten Hochachtung vor der Religion einen triftigen psychologischen Grund. Der Mensch will nämlich alles manipulieren können. Er will alles seiner Entscheidung unterwerfen. Die Erde untertan machen und sich durch Vermehrung über die völlig wertlosen Tierarten zu erheben, sind primäre, allgemein-menschheitliche Appelle. Sie wurden in der Bronzezeit dringlich, als die Bevölkerung rapide wuchs. Die Gedanken und Wünsche kreisten um ein Prinzip der Handlungsfreiheit, das Ordnung garantierte und der Selbstüberschätzung des Homo Sapiens entgegenkam. Dafür eignete sich am besten ein menschenähnlicher, allmächtiger Gott, den Königen der damaligen Zeit nachgezeichnet - freilich abzüglich ihrer negativen Seiten - ein Gott, der zur Zwiesprache bereit war und absoluter Herr war über die primitive Natur, weil er sie ja geschaffen hatte.
Heute dominiert die menschliche Überheblichkeit nicht weniger als damals. Ihr genetisches Ursprungsfeld ist der allen Arten angeborene Kampf ums Dasein. Natur- und Klimaschützer sind daher im tiefsten Herzen die Erzfeinde des Menschseins. Mit dem Gefühl versteht der Durchschnittsmensch überhaupt nicht, was sie wollen. Er findet die Natur schon immer wert, verachtet, ja gehasst zu werden, der Stechmücken wegen, aber auch wegen der Luchse und Wölfe. Sie taugt als Ressource, und der Geist der Bibel bestätigt ihn ja in diesem Sinne als die Krone der Schöpfung.
Diese seine innere Einstellung bezeugt er mit Wörtern wie Unkraut und Ungeziefer und nennt die Natur in Unkenntnis ihrer anspruchsvoll vernetzten Komplexität spöttisch Wildnis. Seine drastische Reaktion auf das Verwildert-Sein äußert sich folgerichtig in der Plünderung der Biosphäre, der ökonomisch entschuldigten Entgrünung des Planeten, des einzigen Lebensraumes in der habitablen Zone der Sonne.
Diese Manipuliersucht scheitert nun am Begriff der fließenden Zeit. Die Theorie des Zeitflusses offenbart die Überflüssigkeit eines Erschaffers der Welt und die totale Abhängigkeit des Menschen von der Biosphäre. Hier steht der menschlichen Arroganz etwas entgegen, das er wie einen Übergott akzeptieren muss. Und zwar endgültig.
Sicherlich war es - unbewusst - nicht zuletzt auch diese Machtlosigkeit, die ihm die festliegenden Zeitpunkte so attraktiv machte. John Locke, David Hume, Francis Bacon und andere Empiristen bewerteten das Nachdenken niedriger als das Hinschauen. Die Natur hinterfragen bewirkt heute sogar noch mehr als früher ein flaues Gefühl. Beschreiben genügt.
Er kompensiert daher das Unabwendbare genial mit unerschöpflichen technologischen Ideen, die sein Selbstbewusstsein stärken. Momentan kommt die Digitalisierung fast so wie eine Droge zu Hilfe. Das ihn ehrende Wunder der Maschine deckt vorläufig ein Tuch über die Wirklichkeit. Denn trotz aller Hindernisse wird von der Forschung immer wieder neu die Frage aufgelegt, ob ein Gott wirklich oberste Instanz ist oder ob nicht doch die Natur die Ethik vorprogrammiert hat. Die Forschung bringt die hyperkomplexe Struktur des Lebens, der Natur, heute fast täglich an den Tag.
Die empiristische Methode, tausend Dinge der Umwelt durch Beobachtung festzustellen und daraus dann tief verborgene Grundgesetze zu konstruieren, ist, man muss das einsehen, ein bescheidenes aber aussichtsloses Vorgehen. Schon Katzen gehen diesen so genannten induktiven Weg erfolgreich. Sie hinterfragen freilich nur ein, zwei Einzelwahrnehmung. Je mehr Naturerscheinungen wahrzunehmen sind, desto höher wird der Anspruch an das Denken. Im 20. Jahrhundert wurde dann die Frage nach einem zusammenfassenden Grundgesetz, einer Weltformel, vordergründig. Dass die Experimente mit den Teilchenbeschleunigern, so viele Teilchen sie auch dingfest machten, am Ende hilflos wirken, zeigt der umgekehrte, deduktive Weg, der zuerst ein Urprinzip wählt und dann durch dessen Analyse die Einzelheiten der Welt erklären will. Die deduktive Methode verlangt vor allem Vorurteilslosigkeit. Eine Religion oder sonstige geistige Abhängigkeit darf nicht in den Köpfen spuken. Über die technologische Genialität hinaus verlangt sie mehr Spürsinn als das Suchen nach neuen Einzelheiten der Welt.
In der Antike, die den deduktiven Weg im Sinn hatte, war der Nachteil der, dass man kaum formalistisch (mathematisch) vorzugehen wusste. Bis Adam Ries, René Decartes, Isaak Newton bzw. Gottfried W. Leibniz blieb es bei der Vorwissenschaft, die die Griechen Philosophie nannten. Der in der Forschung führende Westen war nun aber seinerseits unglücklicherweise katholisch vorgeprägt, so dass der deduktive Weg erneut blockiert war. Die Griechen, die Vorreiter, trennten sich zudem 1051durch ihren orthodoxen Sonderweg von der römischen Kirche und überwarfen sich mit ihr bis auf den Tod. Alles Griechische wurde im Westen herabgestuft. Griechische Kenntnisse galten als ketzerisch, wurden beargwöhnt und verfolgt. Die rein gedanklich vorgehende Platonakademie hatte man aus Argwohn schon 529 verboten.
Deshalb steigerte sich im 20. Jahrhundert die verwirrende Zahl der Hypothesen PM(9)), als die Gedankenfreiheit zunahm, so gewaltig, dass schon die Idee laut wurde, es gebe gar kein Urprinzip, keine Weltformel. Niemand ahnte im Entferntesten, dass Galileis erstes Gesetz „Weg = Geschwindigkeit mal verbrauchte Zeit“ (r=vT) bereits die Weltformel war. Hätte er eine Theorie des Zeitflusses entworfen, wäre das offensichtlich geworden. Denn er oder ein Zeitgenosse hätte sofort auch die Quantenphysik bemerkt. (Der Fahrschüler kennt die Galileische Weltformel in der Umstellung v=r/t: „Geschwindigkeit ist km/h“.)
Am Ende siegte der deduktive Weg. Zwischen 1955 und 1958 wendete sich das Blatt. Für eine restlose Selbstverursachung der Universen wurde ein Prinzip ausfindig gemacht. Zwar stellte sich erst fast 30 Jahre später heraus, dass dieses Prinzip eine Folgerung des Zeitflusses ist. Aber zunächst bildete es einen unerwarteten Nährboden für wesentliche neue Aspekte. 1995, fast 50 Jahre nach den ersten Überlegungen, gab das Gesamtergebnis der Jahrzehnte den Ausschlag, die Platonakademie wieder ins Leben zu rufen.
Folgender einfacher Umstand lenkte den Blick auf das Prinzip der Selbstverursachung. Falls ein Kieselstein existiert - das tut er, wenn ich ihn in der Hand halte - müssen die Atome, die seinen Innenraum ausfüllen, existieren. Der Kieselstein ist so gesehen die Voraussetzung - also eine Art Ursache - dafür, dass es (seine) Atome gibt. Diese sind der Grund, dass Elementarteilchen existieren. Sollten die Elementarteilchen nun nicht wiederum der Grund dafür sein, dass in ihnen, unsichtbar infolge der Quantenphysik, eine ganze Welt existiert?
Dass eigentlich die Zahlen das vormachen - Hunderter sind die „Ursache“ ihrer Zehner, die Zehner Ursache ihrer Einer - war eine zunächst nicht besonders beachtete, weil allzu nahe liegende Nebensache, die aber vor allem eine lehrreiche Sprache spricht und deshalb heute sogar häufig benützt wird, um die Selbstverständlichkeit der Welt zu erklären. Immerhin zeigen die Zahlen ja, dass die Folge der Ursache ohne Grenzen ist. Weil es Tausender gibt, sind Hunderter begründet. Wenn es keine größte, höchste Ordnung gibt, sind alle Zahlen verursacht. Und das geht nicht nur nach oben ins Unendliche, sondern auch nach unten in die Zehntel, Hundertstel, Tausendstel … bis zur Null, zum Punkt.
Diese Unendlichkeit, auf Universen übertragen, sah dann so aus: Die Verursachung unseres Universums ist vollkommen, wenn es das Elementarteilchen Teilchen von einem weitaus größeren Universum ist. Wir sehen dieses Elementarteilchen von innen. Das höhere Universum, in dem es ein Teilchen ist, ist wieder nur das Teilchen in einem noch höher geordneten Universum. Umgekehrt: Wir sehen in einem Proton ein Universum von außen. Sind nun die Universen nach dem Muster der Zahlen unendlich geordnet, ist die Existenz unseres Universums absolut notwendig. (Wir denken freilich bei den Zahlen an das Zehnersystem mit jeweils einer Null mehr. Unser Universum gehört jedoch zu einer Ordnungsfolge mit jeweils 80 Nullen mehr.)
Die „Theorie der Unendlichen Ordnungen“ (Kürzel UO) bekam den Namen „Selbstverständlichkeitstheorie“.
Das Prinzip war so nützlich, dass es gewiss mehr versprach als nur eine schöne Fantasie. Es stand außer Zweifel, dass es einen Beweis dafür gibt. Nur: Für diesen Beweis war weit und breit kein Anhaltspunkt zu erkennen. Er musste gesucht werden. Die Zahlen sind noch kein Beweis. Sie sind nur eine Analogie. Der Beweis würde zugleich die Gewissheit geben, dass ein Gott als Ursache der Welt völlig überflüssig ist.
Die Suche wurde von 1959 bis 1964 an der TU München fortgesetzt. Alle erreichbaren Quellen wurden nach Anhaltspunkten durchsucht. Nichts. Die Physik war auf das Denken im Endlichen beschränkt, obwohl die Mengenlehre seit hundert Jahren die Unendlichkeit zur Logik machte.
1969 kam es durch Zufall zu einer zweiten neuen Feststellung: Man muss, wenn man etwas echt Fundamentales aussagen will, vom Fließen der Zeit ausgehen. War darin der Beweis versteckt?
Grund für die neue Behauptung war eine Notiz des Elementarteilchenphysikers Robert Guiran von 1967: „Alles deutet darauf hin, dass die Energie, wie wir sie auf der Erde definieren, im Bereich der kosmischen Milchstraßen nicht erhalten bleibt, wo die Ausdehnung des Universums vielleicht ein Grund dafür ist, dass man die Zeit nicht umkehren kann.“7*) Das führte 1969, kurz nach der zweiten Mondlandung, zu der Folgerung: Weil nach dem Hubble-Gesetz die Entfernung einer Galaxie proportional ist zur Rücklaufzeit ihres Lichts, und weil man diese Galaxie erst zukünftig in größerer Entfernung sehen wird, ist ihre gegenwärtige Stellung nur mit 1 multiplizierbar („Gegenwartsbedingung“). Das aber gilt dann auch für den gegenwärtigen Zeitpunkt selbst! Jeder von 1 verschiedene Faktor des Zeitpunktes Gegenwart führt entweder in die Zukunft oder die Vergangenheit - zwei völlige Utopien.
Unmittelbar danach zeigte eine kleine Rechnung mit dem Bewegungsgesetz r=vT Galileis, dass man die Zeit t in r=vt nur als Gegenwart betrachten muss um die Quantenphysik zu erhalten (s. in PM(74) oder (217)).
Die Wahrscheinlichkeit stieg rapide, dass diese Gegenwartsbedingung auch den Beweis für die UO ermöglichte. Die TFZ („Theorie der fließenden Zeit“) nahm hier ihren Anfang. Sie bestätigte bald schon auch Gouirans Vermutung, dass die Energie im kosmischen Maßstab nicht konstant bleibt. Das ist im Rahmen der TFZ richtig. Denn die Weltmasse nimmt nach der TFZ quadratisch mit dem Weltalter zu.
Am Anfang wurde manche kühne Idee erfunden, die wieder verworfen werden musste. Als sich 1971 der britische Physiker Herbert Fröhlich, Direktor des Chadwig-Laboratoriums in Liverpool, einschaltete und auf die Fortsetzung der Untersuchung drängte, wurde die Arbeit, obwohl damals Lebenswichtigeres anstand, nicht mehr fallen gelassen. Die Analyse des „Axioms Gegenwartsbedingung“ zog sich vor allem deshalb in die Länge, weil manche Aspekte der herkömmlichen Physik nicht mehr zu halten waren. Das machte die Prüfungen aufwendiger als gedacht und die UO selbst gerieten wegen der spannenden Fragen völlig in Vergessenheit. Es vergingen Jahre, bis dann 1986 - 30 Jahre nach der Entdeckung des Prinzips der Selbstverursachung - eines Tages zwei (schon länger herumliegende) ganz einfache Gleichungen auffielen, die unerwartet den Beweis für die UO enthielten. Der Leser findet sie unter platonakademie.de, HS IV. Er nimmt sich am besten auch PM(148) vor. Die eine Gleichung gilt für das Proton von außen gesehen, die andere für das Universum von innen gesehen.
Wie dann jedes der unendlich vielen Universen überhaupt einzeln entsteht, wurde erst nach und nach untersucht. Nachzulesen ist das Ergebnis in den Zusammenfassungen PM(222) bis (224).
Inzwischen hatte 1980 der Astrophysiker Carl Sagan in seinem Buch UNSER KOSMOS 6*) geschrieben, es gebe eine Idee, die so unglaublich sei, dass man nicht mehr von ihr loskomme: Die Idee, dass in einem Elementarteilchen - er nahm das Elektron als Beispiel - ein ganzes Universum enthalten sei und dass unser Universum ein Elektron in einem übergeordneten Universums sei. Sagan war allerdings Empiriker und neigte zu der Meinung, beweisen könne man die Idee nie. Verständlicherweise geht der Beweis auch nicht empirisch. Etwas Unendliches entzieht sich der Empirie. Nicht jedoch etwas Logisches.
Offenbar bemerkte Carl Sagan in seiner Bescheidenheit - er war einfach nur bis an die Grenzen fasziniert - nicht das Wesentliche: die Selbstverursachung, die in den unendlichen Ordnungen steckt. Mehr zu Sagans Faszination in PM(7).
Für die Religionsdebatte, die die Menschheit lt. Meera Jamal zu führen hätte, interessiert das übergreifende Resultat: Ein Gott ist überflüssig. Interessant ist: Überflüssig wird er auch durch die rational bis ins Kleinste gehende Erklärung der Unsterblichkeit des Ichs, der Seele. Wegen der Unendlichkeit erleben wir mit Sicherheit (d.h. Wahrscheinlichkeit W=1) im Augenblick unendlich oft genau dasselbe wie im Augenblick hier (s. PM(149) bis(152)). Und weil zwischen Universen Entfernungen gar nicht sinnvoll definiert werden können, sind alle unendlich vielen im Augenblick mit dem unseren exakt identischen Universen auch deckungsgleich mit dem unseren! Jedenfalls ist das widerspruchsfrei. Das heißt, dass unser Fortleben in anderen Universen genau an unserem hiesigen Ort stattfindet. Allerdings ist im nächsten Augenblick eine andere Ordnungsfolge mit unserem deckungsgleich, denn es braucht ja nur hier ein Sandkorn verweht werden und schon ist das Universum in den UO ein anderes. Die TFZ nahm den Religionen sozusagen alle wesentlichen Argumente weg.
Wie eingangs gesagt, die Biosphäre ist dann die einzig verbleibende Instanz für alles Leben und für Gut und Böse. Gegen Beurteilung der Menschheit nach PM(125) und (126) weiß niemand mehr etwas Vernünftiges einzuwenden.
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Seit mit der Renaissance das Ansehen der Religion anfing zu bröckeln, will sie am liebsten nichts mehr von Forschung hören. Die offizielle biologische Forschung deckt heute immer rascher auf, wie tief unsere arteigenen Motive, die ja unsere gefühlten d.h. angeborenen Wertempfindungen realisieren, im Tierreich wurzeln. Genau genommen Jahrmilliarden tief. In der molekularbiologischen Komplexität lebender Strukturen ist die Intelligenz der Natur verankert, sie ist bisher erst stückweise überschaubar. Aber von der Intelligenz der Natur spricht längst auch die biochemische Medizin.
Die Komplexität der Lebensfunktionen und -strukturen überfordert das Gehirn. Das war der tiefere Grund, warum der Mensch der Natur nie etwas zutraute. Diese Zeit ist vorbei, seit 1954 Watson und Crick die DNS, die Desoxyribonuklein-Säure bekannt machten. Es soll übrigens eine Frau hinter der Entdeckung gestanden haben.
Bei höher entwickelten Tieren (etwa eine Stufe über den Regenwürmern) erreicht die Vernetzung dann die Komplexitätsebene des einfachen Bewusstseins. Der Mensch hat jedoch es so weit gebracht, dass er Mathematik und Kunst in vollendeter Form betreibt. Vor allem deswegen ist es eine Tragödie, wenn seine Ökonomie vor den Augen apathisch zuschauender Politiker die Biosphäre wieder in die Zeit der Saurier zurückstuft. Der Umfang der Gleichgewichtsstörungen, die man unumkehrbar ins Rollen bringt - argumentierend mit bronzezeitlichem Gedankengut - wird uns noch in Erstaunen versetzen. Simplikios
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*)Meera Jamal, „Schmelztiegel Deutschland - Vorsicht vor zu viel Rücksicht auf religiöse Gefühle“, (Südd. Zeitung 24.6.2017)
**) Bertrand Russell WARUM ICH KEIN CHRIST BIN (rororo, 1968)
***) Richard Dawkins, DER GOTTESWAHN (Ullstein, 2007)
4*) Gottlieb Soldan u.a., GESCHICHTE DER HEXENPROZESSE, 2 Bände, 1018 Seiten (Müller & Kiepenheuer, 1911. Nachdruck bei Müller&Kiepenheuer mit Bearbeitung von Max Bauer, ohne Datum und ISBN, zu finden im Internet).
5*) Oskar Peschel, GESCHICHTE DES ZEITALTERS DER ENTDECKUNGEN; Hendel 1930
6*) Carl Sagan, UNSER KOSMOS (Droemer1989, S. 277)
Portrait der Platonakademie. Die 1995 erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens die richtige Antwort auf die von Platon gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform zu finden. Vor allem ist sie als Internet-Akademie aktiv. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.). Die PA wurde 529 von der Kirche aus weltanschaulicher Konkurrenz verboten.
Kontakt: Anton Franz Rüdiger Brück (1938), Staatsangehörigkeit Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Pädagogik, Physik, Mathematik, Philosophie. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst.