Platonakademie(193). Nochmal: Punktuelle Reformen können die Griechen nicht durchführen, obwohl sie möchten / Politisches Chaos droht auch von der Neuauflage der Sophistik / Bezug: PM(192)

Platon-Akademie, 30. Juni 2015

Griechenland kann seine überwältigende Misere nicht primär durch Reformen auf Spezialebenen lösen wie Steuerrecht, Rentenrecht etc. Das liegt an der Geschichte der politischen Praxis. Jetzt hob auch Stefan Kornelius in der Südd. Zeitung (27.6.15, S.4) hervor, wie weit im Grunde ausgeholt werden muss: „Die Krise geht tiefer, weil sie … Parteien und Machtgefüge, Klientelwesen und gewachsene Hierarchien infrage stellt. Dazu kommt ein miserabel entwickelter Staatsapparat, ein destruktives Verwaltungs-Chaos, das sich in den Verhandlungen der letzten Wochen geradezu selbstzerstörerisch auswirkte. … Die Eurozone wird sich dieses Griechenland nicht nach ihrem Willen formen können.“ Richtig. Doch wird voraussichtlich gerade diese Formung ganz von selbst, ohne Zutun der Eurozone, eintreten und erweist sich dann als derjenige Weg der künftigen Kooperation, der hochwahrscheinlich alternativlos bleibt.

Denn die Griechen haben vier freiwillige Ziele, die sich mit denen Europas völlig decken. Sie heißen Demokratie, Wirtschaftserfolg, Wohlstand und (wir wollen es absichtlich zuletzt nennen) Ökologie. Die ersten drei sind gemeinsamer Wunsch aller Europäer, das letzte ist ein gemeinsames Rettungsprogramm aller Europäer. Das führt zur Verschmelzung mit Griechenland. Gestützt wird sie noch durch den Nachweis, dass die Griechen sprachlich ein Germanenstamm sind und damit sowieso zu Europa gehören (PM(181ff).

Wie die Griechen aber auf Diktat reagieren, zeigt sich seit der Römerzeit (PM(192). Nur was sie überzeugt, lehnen sie nicht ab. Daher kann sich z. B. auch Russland, solange es in der historischen Phase der Diktatur festsitzt, nicht zu einem solchen Europa zählen.

Um nun diesen Komplex ganz zu integrieren ist es unerlässlich, die nachantike Geschichte Griechenlands einzubeziehen. Indes es fehlen Anhaltspunkte, dass diese entscheidende Vergangenheit Griechenlands in Brüssel überhaupt Thema geworden ist. PM(192) hat, um es anzuregen, den (wahrscheinlich alternativlosen) Lösungsweg „archäologisch freigelegt“. Dabei handelt es sich um das von der PA so genannte „König-Otto-Prinzip“ (KOOP): Otto I. hatte 1832 den Wiederaufbau Griechenlands im Prinzip richtig angepackt. Die Griechen hatten ihn nach der Schlacht von Navarino auch tatsächlich mit intuitiver Begeisterung empfangen und große Erwartungen in seine Aufbaupläne gesetzt. Ottos Weg stagnierte wider Erwarten dann ab etwa 1843 schrittweise, nicht weil er falsch war, sondern weil der König zu autoritär verfuhr und erst auf Druck eine Verfassung zuließ, die das Volk beteiligte.

Otto wurde vertrieben und trotzdem nahm die Stagnation kein Ende. Denn die demokratischen Einsichten waren bei den zu Hilfe geeilten Europäern gerade damals noch nicht gänzlich ausgereift, während die Einsicht der Griechen unter einer 2000jährigen Lücke ihrer politischen Lerngeschichte von Grund auf litten. Für eine Verfassung fehlte mithin das Bewusstsein der allgemein nötigen Inhalte. Es gab kein Muster. Seitdem wird gepfuscht.

Inzwischen hat Europa das für Massengesellschaften bestmögliche Modell erstellen können (dazu PM(192) III.). Es variiert von Staat zu Staat nur noch geringfügig und spiegelt daher wider, was auch den Griechen vorschwebt. Die PA sieht die Griechen daher automatisch auf eine europakonforme Verfassung zusteuern, in der ganz

besonders auch eine funktionstüchtige Judikative definiert ist. Griechenland wird, sofern nicht die Sophisten anmarschieren, für die entscheidenden Punkte sozusagen einfach nur den Kopierer benützen müssen.

Anmerkung: In PM(192) wurde angesichts der nur knappen Andeutung des Lösungsweges auf die Bezeichnung KOOP noch verzichtet, doch gewinnt der Begriff nach dem Abbruch der Verhandlung jetzt immer mehr an Bedeutung: „KOOP“ betont den Zweck der Sache: die Kooperation.

Selbstverständlich peilt es weder eine neue Monarchie an noch überhaupt eine Fremdbestimmung Griechenlands, vielmehr überträgt sich das KOOP auf die demokratische Schiene. „Evrópi“ schließt damit die in Platons STAAT begonnene Diskussion ab. So die Prognose. Das heißt, Griechenland wird sich am Ende kulturell über Europa ausgedehnt haben; nicht Europa über Griechenland. Aufgrund des v. a. international gewonnenen Ansehens dürfte, das ist ebenfalls zu erwarten, die griechische Wirtschaft von selbst voll anspringen, und zwar beginnend mit einem umfangreichen internationalen Fremdenverkehr, denn es allein verfügt über „eine europäische Südsee“ mit 15000 km Meeresstrand.

Bis zum Erfolg dieser Kooperation haben wir allerdings mit einer schon erwähnten Gefahr besonderer Art zu kämpfen, nämlich dass die Griechen sich über die Gesamtreform zu Tode diskutieren, weil die einst von ihnen als Schule erfundene Sophistik Boden gewinnt. Man kann sich ihrer nur entledigen, wenn man sie öffentlich stempelt: Hört man z.B. bei Fernsehdiskussionen den Mitgliedern der Syriza zu (wörtlich übersetzt „Gemeinschaftsschild der wurzelspaltenden Linken“), kann man die Sophistik leicht an ein Beispielen studieren. Die Sophisten waren die „…Lehrer der gewandten Rede. … Durch ihre Tendenz, in der Diskussion um jeden Preis zu obsiegen, gerieten sie … in eine geschwätzige, spitzfindige Scheinweisheit.“ (Philosophisches Wörterbuch, Kröner 1991).

Sofern griechische Parteien die Sophistik nicht zu unterbinden wissen, verbleibt als Alternative zum Erfolg nur die Option Chaos.
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Kontakt: Anton Franz Rüdiger Brück, geb. 1938, Staatsangehörigkeit Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Zuschriften bitte per Post an: s. Impressum in platonakademie.de


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