Platonakademie(188), Ethik Spezial im Anschluss an PM(187): Aus welchen unbezweifelbaren Grundsätzen soll eine vereinheitlichte Ethik hervorgehen? / Die weitsichtige Politik des Mose / Vom Misstrauen gegenüber der Biologie / (Kl. Kürzung in III. am 13.2.)

Platon-Akademie, 12. Februar 2015

I. Das Ziel der biblischen Religion war ein rein politisches.

Als vor weit über dreitausend Jahren Mose die soziale Ordnung in den Massenstädten unter ewig geltende Gesetze stellte, übertrug er zur Sicherung der Autorität die Gesetzgebung weitblickend auf einen übermächtigen, unerreichbaren, unkritisierbaren, unbesiegbaren, zudem unterblichen Gott, vor dem die damals wissenschaftlich uninformierten Menschen nur noch niederknien und um Gnade bitten konnten. Denn ein irdischer König kam als Begründer solcher Gesetze nicht in Frage. Er war sterblich und letzten Endes ein Mensch, den immer einige kritisieren würden.

Diese Dinge sind wahrscheinlich schon des öfteren weltweit angeschnitten worden. Hinzuzufügen ist vielleicht: Das politische Ziel von damals wurde erst wieder Thema in der Staatstheorie des Griechen Platon. Den Staat sollten nach Platon gesetzgebende Philosophen kontrollieren, nicht ein gesetzgebender Gott, denn das logische Schließen war in der Antike schon zu sehr für die unmittelbare Wirklichkeit sensibilisiert, als dass man es mit dem Stabhochsprung zu einem Gott bewendet sein lassen wollte.

Weder Mose noch Platon erreichten das ursprüngliche Ziel „Friede auf Erden“. Die für Massengesellschaften nötige Ethik ließ sich nicht über jeden Zweifel erhaben machen. Nicht nur Kriminalität und Revolutionen belegen die Utopie des Friedens bis zum heutigen Tag, sondern eben auch die fortgesetzte Suche nach der unanfechtbaren Ethik (dazu PM(187)). Schon das nachfolgende Auseinanderbrechen der mosaichen Version in drei Teile hatte Hass und Separation eingeleitet. Mit dem Zerbrechen des Christentums 1051 in eine römische und eine oströmische Kirche setzte sich das fort. Die Orthodoxen („Rechtgläubigen“) warfen Rom vor, nicht die „reine Wahrheit“ zu verkünden. Dem folgte die Reformation. Zerfall und Misstimmung erfassten auch den noch konformen Westen. Im Grunde wusste man eben nicht, wie es gehen sollte.

Die Folgen für die westliche Bildung wurden schon in PM(181)) beschrieben. Joachim Käppner zeigte dann in der SZ vom 7.2.2015 („Das Erbe von Byzanz“) ausführlich, wie jene erste Spaltung noch heute in den russisch-orthodox-europäischen Dissens verstrickt ist.

II. Das Misstrauen gegenüber klaren Aussagen

Die ewigen Hypothesen – und Meinungsverschiedenheiten – säten Terror, Ignoranz und Misstrauen. Das Betreiben einer Wissenschaft vom irdischen Leben, die Biologie, zog das Misstrauen besonders auf sich, denn zum einen war der Begriff „Leben“ seit Mose notgedrungen irrational besetzt und das blieb Tradition (Vitalismus). Zum andern fördert auch der mühevolle Aufwand, Tatsachen zu beurteilen, die Irrationalität, und sie schlägt den Sonderweg ein, die Unbrauchbarkeit der Ratio rational zu weisen. Wer irrational „denkt!“, gibt sich damit zufrieden. Zugrunde liegt diesem Sonderweg die Neigung des Menschen zur Rationalität, die er nicht aufgeben will aber bedingt durch seine Hypothesen letztendlich ignorieren muss. Über die Gefährlichkeit dieses Vorgehens s. in PM(187).

Der geschulten Bevölkerung sind die Ansätze der biologischen Beurteilung der Ethik geläufig: Sie kursieren unter dem Begriff Ethologie („wissenschaftliche Ethik“). Er geht auf die Forschungen von K. Lorenz zurück. Lorenz hatte allerdings den KOSMMA-Prozess („Komplex störungs-motivierter multipler Ausgleich“, PM(68)) noch nicht formuliert. Das ist ein Grund, warum man vor den Augen des lieber vorwissenschaftlich Urteilenden die Biologie leicht mit dem Wort „Biologismus“ zum Teufel jagen kann. Man kommt damit an, suggeriert das Wort doch Despotismus, Materialismus, Zynismus und andere negative Begriffe.*)

Der Widerstand der Religion gegen die konkurrierende Wissenschaft wurde von der Kirche ein Jahrtausend lang (seit der Scholastik) zunehmend mit mindestens derselben Brutalität geführt, wie wir sie heute bei Religions-Varianten erneut beobachten, die noch in der frühen Entwicklung stecken. Millionen Menschen, nicht nur ein paar, wurden lebendig verbrannt, gerädert, ersäuft usw. Darunter ein hoher Anteil Frauen, besonders wenn sie schön waren; denn gemäß der großen alten Hypothese gelten sie als Träger der Erbsünde Sexualität, die in der Masse Chaos erzeugt (PM(187)). Wie immer man die religiösen Kriegsgründe zwischen der al Qaida und den USA interpretieren mag: jedenfalls erhob sich al Qaida gegen die Werte des Westens, gemeint ist das Wissenschaftsethos. Und umgekehrt waren die „wiederweckten Christen“ Amerikas am Drücker, als der Marsch gegen Bagdad organisiert wurde. Auch dies noch: Saddam Hussein hatte 1980 als Sunnit Krieg gegen den schiitischen Iran geführt. Der Hass zwischen beiden Sekten hatte ausgereicht. Man sieht: Undefinierte Ethik bildet mehr oder weniger direkt die emotionale Grundlage all der Konflikte. Subtrahiert man die Ethik nämlich von der Gesamtheit der Kriegsgründe, bleiben nüchterne Gründe wie das Erdöl übrig, die alleine keine von derart tiefem Hass erfüllten Aktionen hervorrufen können.

III. Die Basisbedingungen einer vereinheitlichten Ethik
und ihre nachvollziehbaren Grundlagen.

Vorausgesetzt, der Menschheit bleibt überhaupt noch Zeit (PM(185)), dann wird sie die Möglichkeit nutzen, jede Handlungs-Motivation auf eine sehr große Zahl von schnell wechselwirkenden angeborenen Motiven zurückzuführen. Zur Unterscheidung zum Menschen ist beim Tier lediglich diese Zahl kleiner: Transzendenten „Geist“ braucht er nicht. Es handelt sich um den KOSMMA. Der KOSMMA bringt die herrschenden Ethik-Varianten auf einen gemeinsamen Nenner, allerdings unter Einführung der neuen Rechenregel mit Namen „organismische Komplexität“ (u. a. PM(55), (68), (187)).

Wer die Mühe der Korrektur liebgewordener Meinungen auf sich nehmen will, wird sich mit zwei Basis-Bedingungen beschäftigen müssen. Eine Wissenschaft von der Ethik muss

1. die von den Menschen immer nachdrücklich verlangte aber von den Religionen nur rein spekulativ getragene Auskunft über die Unsterblichkeit des Ichs rational formulieren können;
2. muss die von den Menschen nachdrücklich verlangte aber ebenfalls von der Religion nur spekulativ einem Gott zugedachte Letzte Ursache des Universums (und des Ichs) rational sichtbar machen können.

Würden diese Antworten vom Homo Sapiens nicht erwartet, gäbe es keine Spur einer Religion. Es sei darauf hingewiesen: Die Übertragung auf einen Gott führt noch lange nicht zur „Letzten“ Ursache; denn man muss ehrlicherweise dann als Ursache für diesen Gott, nach der zu fragen ist, einen noch höheren Gott postulieren – und unendlich(!) so weiter.
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*) Im Grunde drücken sich einige der sog. Geisteswissenschaften vor dem Denken, und zwar spätestens dann wenn Nachdenken über die Materie nötig wird. Bei „Materie“ fällt einem nämlich, wenn man weiter nichts weiß, zuerst der Staub auf der Straße ein, und „damit ist sie doch wohl sicher nichts Geistiges!“ Aber die Einteilung in Materialismus und Spiritualismus (Idealismus) ist längst hinfällig. Sie stammte aus der Romantik. Da Materie aus Atomen besteht und das Atom gar keine Alltagsmaterie ist, sondern ein praktisch immaterielles Wahrscheinlichkeitsphänomen, ist die Substanz allen Drecks letzten Endes „Geist“ (man lese z.B. dazu die kurze Abhandlung der Physiker Davies und Brown DER GEIST IM ATOM, 1993.). Zur nachvollziehbaren (= rationalen) Erklärung von Leben, Bewusstsein und Geist bietet in der Tat die – wenn man so will materiell begründete – Komplexität der Organismen die ausreichende Grundlage (PM(55), (148)). In Organismen und Organen sind x Billionen Zellen (bei uns zehn) sinnvoll vernetzt, zumindest indirekt. Es kommt allein zwischen ihnen schon zu x Millionen Milliarden Milliarden funktionalen Verbindungen, die allein zu zählen man Millionen Jahre bräuchte!! (Es kommt übrigens bei der Komplexität K auf drei Nullen nicht an, PM(55)). Dabei haben wir aber noch gar nicht berücksichtigt, dass in der Zelle wiederum viele Millionen Moleküle vernetzt sind.

Portrait der Platonakademie
Die 1995 erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens die richtige Antwort auf die von Platon gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform zu finden. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.). Die PA wurde 529 von der Kirche wegen weltanschaulicher Konkurrenz verboten.
Kontakt: Anton Franz Rüdiger Brück, geb. 1938, Staatsangehörigkeit Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Zuschriften bitte per Post an: s. Impressum in platonakademie.de


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