Platonakademie(162) Ethik / Nach dem Freispruch für homosexuelle Ehen: Der Islam wird auch Mehrfachehen vertretbar machen / Presse: Wortwahl zur Sexualität zusehends freier

Platon-Akademie, 28. Oktober 2013

Es lässt sich nicht leugnen, dass der in Europa bekannt werdende Islam die Aufweichung des Ehesakraments beeinflusst. Gerade beginnt man im Westen, uralte Ressentiments gegen die menschliche Natur (überhaupt gegen die Natur) abzubauen, da hält der Islam Einzug und vertritt eine Eheform, die seit alters im Menschen wurzelt (PM(160)), allerdings als Muster nicht vorgezeigt werden kann. Viele ziehen aus der islamischen Moral den Schluss, dass Menschen einst barbarisch gelebt haben.

Dem scheint aber nicht so. Nachdem der in PM(160) besprochene Existenzdruck der Frühgeschichte heute fehlt und die Einehe so durchaus auch Vorzug erlangt hat, würde zu einem menschlich gerechten Umgang in der Mehrfrauenehe eine Portion Bildung gehören; nicht Berufsausbildung, sondern innere Überlegenheit, Gerechtigkeitssinn, Großzügigkeit, Einfühlungsvermögen, Flexibilität, lauter Fähigkeiten, an denen es vor allem dem Mann im Osten mangelt, aber auch, man muss das klar sehen, im Westen. Mancher Mann in der christlichen Einehe behandelt die Frau verständnislos, erniedrigend, brutal (was wiederum kein Zeugnis sein soll für eine generell untadelige Weiblichkeit!).

Die christliche Einstellung zur Frau (sowohl seitens der Lehre als auch dort, wo individuell kein höheres Niveau gepflegt wird) wirkt alles andere als vorbildlich. Ein altes Bauernsprichwort sagte es drastisch: „Rooß verrecken, is a Schrecken – Weiber sterm, is koa Verderm.“ Diese Mentalität ist zwar durch zunehmende Bildung und Weltsicht rückläufig, aber doch immer noch verbreitet.

Was zerfällt, zerfällt. Zwar kann wegen der hohen Bildungsanforderungen eine Mehrfachehe nicht mit der Zweierehe Schritt halten. Der Drang nach einvernehmlicher Freiheit im sexuellen Umgang mehrerer Menschen (PM(159), (160)) durchzieht aber die Gesellschaft sowohl offiziell als auch im Untergrund, und das derart gleichmäßig, dass die Kirche machtlos dasteht, etwa wenn sie neuerdings bei der moralischen Abwertung Wiederverheirateter unbeugsam bleibt*).

Die Homoehe ist das erste anschauliche Zerfallsprodukt des Ehesakraments, das offiziell anerkannt wurde. Wenn man will: Es ist ein qualitatives Zerfallsprodukt. Ein quantitatives ergibt sich aus der „Zweierehe“, wenn Liberale die Zahl 2 für von Natur aus unverbindlich erklären, m.a.W. als zwangsbedingt. Die Neigung zur Partnervielfalt äußert sich nämlich von alters her in der Prostitution; daneben in Seitensprüngen noch und noch. Heute besteht die Freiheit, Swingerclubs einzurichten, damit der durch Seitensprünge verursachte innereheliche moralische Unfriede unterbleibt, der für die Kinder ein Unglück ist, unter den Partnern aber nicht selten bis zum Mord eskaliert (s. auch PM(159)).

Wenn Staat und Kirche den Zwang zur Monogamie aufrecht erhalten, schieben sie die humane Veranlagung in die Kriminalität ab. Der Kuppeleiparagraph im StGB, der einst Sexualität mit Dritten verhindern sollte, wurde daher 1969 aufgegeben. Die Bestrafung der Homosexualität entfiel 1994. Strafe drohte übrigens nur der männlichen Homosexualität. Die weibliche scheint unbewusst für natürlicher gehalten worden zu sein, wohl eine Toleranz, die man stammesgeschichtlich versteht (PM(160)).

Dass jetzt die eingeschlechtliche Ehe sogar rechtliche Absicherung erfuhr, ist ein ungeheuer weiter Schritt, der die religiöse Autorität völlig umgeht. Die sich wie selbstverständlich dann von der Homoehe aus entwickelnde Forderung nach allseitiger Liebe unter mehr als zwei Partnern trägt schon einen Namen: „Polyamory“. Er kommt aus Kalifornien. „Selbstverständlich“ ist die Forderung deshalb, weil es äußerst nahe liegt, dass sich zwei Frauen einen Mann dazu wählen, und entsprechend umgekehrt. Sie ist von einem Ethos beseelt, das der Erzkonservative nicht mehr für möglich halten kann: Gegenseitige Liebe unter mehr als zweien, zudem noch mit Vertrauen und Aufrichtigkeit, Verständnis und Toleranz, hält er auf diesem Weg für schier undenkbar. Menschlichkeit dieser Art stellt die christliche Nächstenliebe in den Schatten.

Die momentan höchstens außerehelich vorkommende, aber längst schon nicht mehr zu verbietende Polyamory wird Anlass sein, dass irgendwann auch Ehegemeinschaften aus drei und mehr Personen rechtlich anerkannt sind. Die Mehrfrauenehe wird aus den in PM(160)) genannten Gründen die polyandrische Ehe überwiegen. Voraussetzung wird sein, dass man die heute meist fragwürdig praktizierte Form zur ethischen Vollendung entwickelt.

Schließlich bindet die Religionsfreiheit dem Verbot des Erweiterungsprozess die Hände. Jeder, der Polyamory betreibt, darf prinzipiell schon jetzt zum Islam konvertieren und dort eine Mehrfrauenehe gründen und ist dann sogar durch eine Religion moralisch bestätigt. Da überzeugt es nicht mehr, wenn Ethik-Experten keine Notiz von Stammesgeschichte bzw. genetischem Erbe nehmen, sondern die Tendenz als „Sexismus“, die Aufklärung als „Biologismus“ angreifen und immerfort Normen nur aus der Bronzezeit schöpfen. Es hilft auch nichts, wenn man Darstellungen natürlicher Erotik, um ihnen die Ausstrahlung zu nehmen, zur ästhetisch unerträglichen Pornographie zählt.

Das freie Wort.
Zurückblickend sehen wir, dass das historisch schwächelnde Tabu des Ehesakraments letztendlich unter dem Druck der Homosexualität platzte. Das war der Moment, wo das Wort „homosexuell“ gesellschaftsfähig wurde. Sofort nach dem Krieg hatten in der Freiheitseuphorie Filme begonnen, die Liebe immer religionsunabhängiger zu interpretieren. Gegen das Tabu wirkten später die halberotische Werbung und die freier werdenden erotischen Fernsehfilme. Sie führten in die Behandlung der Sexualität das vorurteilslose Wort und die unzensierte Abbildung ein. Heute gebraucht vor dem konservativen Publikum zunehmend sogar die Tagespresse eine sehr freie Wortwahl. Die Süddeutsche Zeitung (in der Metropole der CSU erscheinend!) befasste sich am 26.3.2013 in einem Großartikel mit der ganz und gar antichristlichen Homoehe. Bereits am 6.7.2013 schrieb sie dann in einem weiteren Großartikel über die Merkwürdigkeit von Intimoperationen und setzte gleich das Wort „Schamlippen“ in die Schlagzeile. Am 31.7.13 ging es, wiederum in einem Großartikel, um die (vielleicht kritisierbare) Konfrontation von freizügigen jungen Frauen mit Naturvolk-Frauen in Afrika.
Am 20.9.2013 endlich hatte ein (mittelgroßer) Artikel die Schamhaare in seine Überschrift beordert: den dicksten Stein des Anstoßes, den man ja seit der Renaissance sogar aus künstlerischen Darstellungen fernhielt, gegenwärtig aber auch am eigenen Körper beseitigt; denn Schamhaare, besonders an Frauen, sind der erotische Blickfang: Sie haben sich offenkundig binnen Jahrmillionen im Zuge des Aufrechtgehens entwickelt, damit sich die Frau von weitem als Frau erkennbar macht, und sind von ehrwürdiger Tradition begleitet.
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*) Notiz der SZ vom 23.10.13 auf S.1, wonach sich der Regensburger Bischof Müller gegen Wiederverheiratete stellt.

Portrait der Platonakademie
Die 1995 erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens die richtige Antwort auf die von Platon gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform zu finden. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.). Die PA wurde 529 von der Kirche wegen weltanschaulicher Konkurrenz verboten.
Leitung: Anton Franz Rüdiger Brück, geb. 1938, Staatsangehörigkeit Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Mail: platonakademie(at)aol.de


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