Platonakademie(160) zum Ethikstreit. Schlüsse auf die Präferenz der Monogamie / Dunkelziffer verunsichert empirische Datenerhebung / Stammesgeschichte liefert besseren Maßstab als Religion

Platon-Akademie, 19. Oktober 2013

Geht man von PM(158) und (159) aus, so kann man für die dem Menschen natürliche Partnerschafts- und Eheform ein wenigstens unscharfes Bild zeichnen. Zur Verfügung stehen die heutigen Daten über die Häufigkeit außerehelicher Kontakte und das gut rekonstruierbare stammesgeschichtliche Erbe.

Was die Häufigkeit außerehelicher Kontakte betrifft, kann man sagen, dass sie mindestens bei einem Prozent der Menschen in unserer Gesellschaft üblich geworden sind. „Mindestens“ soll besagen, dass die Zahlen nicht absolut ermittelt werden können. Die Dunkelziffer, bedingt v.a. durch die tradierte moralische Abwertung, macht die Abschätzung sehr unzuverlässig. In einem bis zu 50% reichenden Bevölkerungsanteil gilt Ehebruch weiterhin mehr oder weniger als Verbrechen. Wer freie Partnerwahl bejaht, muss sich deshalb verstecken. Das beweisen auch immer wieder öffentliche Äußerungen, z.B. in den Medien. Öffentlich wird außerehelicher Kontakt in der Regel verachtet, oft aber nur zum Schein, um die herrschende Moral zu besänftigen.

Die Unsicherheit der Schätzung, wie häufig die Ehegrenze überschritten wird, hat vermutlich eine Streuung von 1 Prozent bis 10 Prozent, wobei, nach dem Prinzip der Gaußverteilung, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ehe überschritten wird, bei mehr als 10% deutlich abnimmt. Es sinkt aber nur die Wahrscheinlichkeit.

Nimmt man nun hinzu, dass Naturvölker, deren Ethik ja der natürlichen Veranlagung näher steht, die Monogamie seltener zum Gesetz machen, die Massengesellschaften dagegen häufiger (weil Sexualität in Massengesellschaften natürlicherweise unangebracht ist), so bringt das keine wesentlich neuen Erkenntnisse.

Grundsätzlich ist die Monogamie die Ausgangsform einer Partnerschaft, und das muss schon in der Vorzeit so gewesen sein, so dass es in erblichen Motiven festgehalten ist. Denn in der ersten Phase einer Beziehung (zum ersten Partner des Lebens) entfaltet die Liebe die größte Macht. Erst wenn die Beziehung ehelich eingewöhnt ist, erweitert sich der Horizont der Blicke auf andere Partner und der Konflikt mit der Moral steigt. Deshalb ist wohl die aller entscheidendste Frage die diachrone: Wie war die „Ehe“ in der langen Stammesgeschichte des Menschheit? Das muss man bewusst unter Ausschluss ideologischer Vorlieben beantworten.

Stammesgeschichte und Sozialethik.

Vor Beginn der Vermehrung der Menschheit war der äußere Druck auf die Familie groß. Raubtiere, Kälte, Nahrungsnot forderten eine wehrhafte, also größere Gruppe. Ein einzelnes Paar hatte wenig Überlebenschancen. Die „Unfall“-Sterblichkeit der Männer (z.B. im Kampf gegen Raubtiere und Nachbargruppen) war indes zweifelsfrei größer als der der Frauen. Es kam daher mit Sicherheit wegen Frauenüberschusses zur Bildung polygyner Gruppen, und das durch Jahrmillionen. Zwei, drei Frauen konnten die Aufzucht der Kinder eher garantieren, setzten sich gegen Raubtiere besser durch, wenn sie alleine waren, und konnten auch verhindern, dass barbarische männliche Familienoberhäupter sich Kinder zur Beute machten. Die Frauen hielten deshalb auch bevorzugt weitere Männer fern, begünstigten eher zur Sicherheit die Vergrößerung der Frauengruppe, denn Rangordnungsstreitigkeit (Eifersucht) war bei einem oder wenigen männlichen Oberhäuptern eher zweitrangig. Die aufwachsenden Söhne mussten nach der Pubertät neue Familien gründen.

Auf ein polygynes Urmodell weist das heutige Verhältnis zum eigenen Geschlecht hin. Die SZ hat in der Serie über Beziehungen in dem Artikel vom 20.9.2013 die Freundschaft unter jungen Frauen untersucht. Man ist sich offenbar weltweit einig, dass Mädchen zu Freundinnen sehr große Sympathien entwickeln, die die Anzeichen von Liebe tragen, jedoch bei Annäherung von potentiellen männlichen Freunden, und auch wenn neue dominante Freundinnen auftauchen, in Feindschaft umkippen können. Dagegen zeigen Männer andere Motive zur Gruppenbildung. Sie bilden Gruppen eher beim Sport und derlei Dingen. Derjenige Freund ist der beste, der am besten helfen kann, ein Tor der Gegengruppe zu hindern. In einer Familie neigen sie zum Streit aus Eifersucht wegen der einen oder mehrerer Frauen.

Hier schimmert im heutigen Verhalten das Motiv der Urzeit durch: Männer (der Patriarch, sein heranwachsenden Söhne und evtl. auch Brüder und Onkels) mussten gegen Feinde zusammenhalten, kämpften um den ersten Rang bei den Frauen. Ihre Zahl war deshalb immer so groß als nötig. Fehlte der Druck von außen, zerfielen solche Bünde, weil sich mehrere Männer in der Regel als Friedensstörer empfanden. Eifersuchtsstreit um Frauen geht sogar auf Hunderte von Jahrmillionen Jahren zurück, weil es mit der Weitergabe der Gene zu tun hat. Solche Eifersucht sitzt tief im Stammhirn begründet.

Setzt man Bildung im weiteren Sinne voraus, vor allem psychologische, so überwindet sich heute Eifersucht wegen Fremdgehens oft von selbst. Man kann sich ja differenziert mit dem Partner verständigen und kann ggf. die partnerschaftlichen Abenteuer gemeinsam machen. Heimlichkeiten entfallen dann, und das entschärft die bösartige Eifersucht (Mord und Totschlag) erheblich. Die Treue eines Paares wird stabilisiert, es trennt sich weniger gern wieder (vgl. auch: Arno Karlen, ÜBER DIE LIEBE ZU DRITT, Ullstein 1989). Moraldruck hat so viel friedlichen Erfolg nicht. Es bedarf im übrigen ja für Überschreitungen der monogamen Beziehung auch eines relativ großen sexuellen Interesses, das eher bei einer Minderheit dauerhaft ist. Sein Fehlen begünstigt die monogame Beziehung. Geringeres oder abflauendes sexuelles Interesse ist heute wahrscheinlich der Hauptgrund für die Beschränkung der Promiskuität.

Auch wegen des fehlenden Außendrucks auf die Familie durch die Umwelt gibt es heute weniger Grund, Schutz in einer Mehrpersonenehe zu suchen. Eine solche, falls es zu ihr kommt, besteht dann aus großer Hochachtung und ästhetischen Gefühlen fort. Ein hoher Anteil der Bevölkerung bevorzugt mangels Ethos durchaus die Monogamie.

Das bestmögliche Ergebnis aus Sicht der PA lautet: Unterm Strich gilt die Präferenz der monogamischen Ehe auch in Zukunft. Ethischer Konfliktpunkt ist allein das Verbot der Freiheit zur Liebe. Für ein Verbot gibt es, wie in PM(158) erläutert, kein Ethos.
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Portrait der Platonakademie
Die 1995 erneuerte Platon-Akademie (PA) versteht sich als Fortsetzung und Abschluss der antiken. Sie versucht, im naturwissenschaftlich widerspruchsfreien Konsens die richtige Antwort auf die von Platon gestellten Fragen nach der Herkunft der Naturgesetze und nach der besten Gesellschaftsform zu finden. Sie strebt keinen juristischen Status an (Verein etc.). Die PA wurde 529 von der Kirche wegen weltanschaulicher Konkurrenz verboten.
Leitung: Anton Franz Rüdiger Brück, geb. 1938, Staatsangehörigkeit Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Mail: platonakademie(at)aol.de


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