Platonakademie(151), TFZ-Spezial zu PM(149) und (150): Wird man seine Welt mitnehmen?

Platon-Akademie, 21. August 2013

Die gestellte Frage ist mit Ja zu beantworten. Konzentrieren wir uns auf die höchstentwickelten Organismen, die besonders ausgeprägtes Bewusstsein haben. Aufgrund seiner Struktur ist jedes Lebewesen zur Zeit T das eindeutig definierte (aber kausal nicht eindeutig vorbestimmte!) Ergebnis seiner Vergangenheit. Seine Struktur beinhaltet, molekularbiologisch im Zentralnervensystem gespeichert, sehr viele abrufbare Erinnerungen an seine Vergangenheit, allerdings nur punktuelle Bilder, nicht deren Zeitfluss.

Wir alle tragen diese Welt als „die gewohnte“ in uns. Sie enthält Bilder von Gegenständen. Darunter sind die von anderen Lebewesen, vor allem von uns nahestehenden. Zu den gespeicherten Bildern gehört (und das ist für die Theorie des ident. Wechsels wichtig) unsere Sympathie zu diesen Bildern: ihre Bewertung. Ein paar Beispiele: Zur gewohnten Welt gehört die Landschaft, in der wir (nicht unbedingt erst zuletzt) lebten, die Familie oder/und der Freundeskreis, zugleich die Gefühle, die uns mit Personen verbinden (vgl. PM(68) über die Motive). Die meisten Gegenstände der Erinnerung sind jedoch leblos: das Haus, die Kunstsammlung, Bücherei, das Barvermögen, auchUrlaubsorte usw.

Es ist nun eine empirische Tatsache, dass das Zentralnervensystem bevorzugt Vergangenheitsbilder gespeichert hat, Erinnerungen, die positiv bewertet worden sind. Da Motive die Bewertung steuern (PM(68)), werden Unglück und unangenehme Dinge von der Erinnerung stets entschärft, „verklärt“, und, falls nicht entschärfbar, verdrängt oder gar ganz gelöscht. Bedingt ist die Auswahl v. a. durch das Erfolgsmotiv, das auf allen Planeten das Leben aktiviert. Es ist paläontologisch bestens belegt: Der Wurm bekam Flossen, um Fressfeinden zu entkommen und erfolgreich in Frieden zu leben. Weil dann einige seiner Verwandten zu neuen Fressfeinden wurden, flüchtete er sich ans unbewohnte Land. Das geschah erstmals im Devon. Aber an Land wiederholte sich das Desaster. Eine Möglichkeit, überlegen zu werden, war auch die Zunahme der Körpermasse. Aber das alles holten die Fressfeinde nach. So steigerte das Erfolgsmotiv die Entwicklung bis zu monströsen Sauriern. Im Jura erst retteten sich einige in die Atmosphäre. Kaum war ihnen das gelungen, entwickelten sich unter den Fliegern abermals Fressfeinde. Den nachhaltigen Ausweg versprach erst das Zentralnervensystem. Es konnte beliebige Mittel entwickeln, um gefährlichste Feinde fernzuhalten. Die primären Mittel waren Waffen. Anfangs (und genau auf diesem Stand sind mehrheitlich die modernen Menschen) geht der Lebenskampf mangels Einsicht („Bildung“) in dem Sinne weiter, dass diese Hominiden ihre Technologie gegen einander einsetzen. Wo dann auch noch die soziale und ökologische Entwicklung fehlschlägt wie bei der jetzigen, vermassten Menschheit, die nicht wie die Termiten das Genom von Massenwesen besitzt (PM(18)), dort droht der Art ernsthaft der Untergang.

Es kann aber auch glücklicher ausgehen. Denn das Gehirn bietet nicht nur die Waffe als Option. Momentan zeichnet sich ab, dass es zu einer (ökologisch kompatiblen) Gentechnologie fähig werden kann, die sich auf die Optimierung des Verhaltens spezialisiert. Aggressivität kann (im Prinzip) genetisch gezielt abgebaut werden, sobald man das Genom einmal voll begreift, was freilich noch dauern wird. Hauptziel ist dann aber nicht die Reduzierung der Aggressivität, sondern die persönliche Zufriedenheit. Manche Zukunftsvision befasst sich zu Recht mit dieser letzten Phase der Evolution.

Was den identischen Wechsel anlangt, so ist also von folgendem auszugehen: Der psychische Zustand zur Zeit T setzt sich beim Zusammenbruch der körperlichen Komplexität identisch fort, wobei unter den Erinnerungen die unangenehmen (wie Krankheit, Misserfolg, kalte Winter, Armut usw.) samt ihrer negativen Bewertung meist oberflächlich gespeichert sind. Wer an Krebs stirbt, weiß sowieso nicht von sich aus, ob das ein bedrohlicher Schmerz ist. Das sagt ihm nur die Diagnose, die er indes nicht genau begreift, und zuletzt zerstören noch die Endorphine den Rest an negativen Bildern.

Die Summe unterm Strich schließlich, die tatsächliche Zukunft, ist vielleicht am schwierigsten auszumachen. Es scheint, als sei der Zustand des fortbestehenden Ichs aus Erinnerungen verschiedener vergangener Entwicklungsstufen zusammengestellt. Diejenige Summe mit dem positivsten Durchschnittswert, zu der auch ein jüngeres (weder zu frühes noch zu hohes) Alter gehört, hat größte Chancen. Im Urteil über den ersten Eindruck nach dem Wechsel, auch in der Selbsterkennung, wirken die vielen Erinnerungen mit, die man nicht auf einen Schlag mobilisiert, die man aber besitzt, weil man dieselbe Struktur wie vorher hat. Sie werden nach und nach durch andere Erinnerungen wieder motiviert, wie üblich.

Breiter ins Detail zu gehen, lohnt nicht. Es kann aber mit hoher Sicherheit gesagt werden, dass, je weiter die geistig-psychische Entwicklung vorher in Richtung Zufriedenheit und Erfolg fortgeschritten war, desto fortgeschrittener auch die UT sein wird, in die das Ich wechselt, und dann ist es durchaus wahrscheinlich, dass dort bereits auch der Zustand gilt, der oben erwähnt wurde: Eine Welt, die nicht nur bietet, was in der Erinnerung (ob geschönt oder nicht) mitgebracht wurde wie hochmotiviertes Wohlbefinden, Erwartungen, Wohlhabenheit, sondern auch bewahrheitete Visionen einschließt wie die genetische Verbesserung, die man sowieso nicht selbst herbeigeführt hätte. Die Phantasie bleibt eng begrenzt!
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Portrait der Platonakademie
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Leitung: Anton Franz Rüdiger Brück, geb. 1938, Staatsangehörigkeit Deutsch. Humanistisches Gymnasium. Hochschulstudien: Physik, Mathematik, Philosophie, Pädagogik. Ausgeübter Beruf: Bis 2000 Lehrer im Staatsdienst. Mail: platonakademie(at)aol.de


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