Bettina Stangneth erhält in Basel den Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis 2022

Friedrich Nietzsche Stiftung, 5. Juli 2022

Den Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis des Jahres 2022 erhält Bettina Stangneth. Die 1966 geborene Philosophin, die als freie Autorin in Hamburg lebt, aktualisiert den Grundimpuls der Aufklärung, die Selbstbegründung der autonomen Vernunft und den Appell an das Selberdenken, im Bewusstsein der Herausforderung der Philosophie durch die Erfahrung des deutschen Nationalsozialismus und des Massenmordes an den Juden. In ihrem international wirksamen Buch „Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders“ (2011) hat sie durch systematische Quellenstudien die Legende vom
Bürokraten, der nur Rädchen im Getriebe war, zerstört und durch die Einsicht in die intellektuell anspruchsvollen Begründungsmuster ersetzt, die der fanatische Antisemit für seine Organisation der Judenvernichtung in Anspruch nahm.

Ein Musterbeispiel nicht-antiquarischen Philosophierens und Selberdenkens
Die historisch-empirische Fokussierung ihres Denkens prägt ihre Trilogie „Böses Denken“ (2016), „Lügen lesen“ (2017) und „Hässliches Sehen“ (2019), in der sie die Verpflichtung der Philosophie auf die Reflexion des Guten, Wahren und Schönen verabschiedet und die Weltzugewandtheit aufklärerischen Denkens im kritischen Blick auf aktuelle Strategien der Vernunftabwehr glanzvoll erneuert. Das Werk Bettina Stangneths ist – von der Dissertation über das radikal Böse bei Kant bis zu ihrer Ermunterung, von der eigenen Sinnlichkeit ebenso rückhaltlos Gebrauch zu machen wie vom Verstand – ein Musterbeispiel nichtantiquarischen
Philosophierens. Mit Nietzsche, gegen den und mit dem sie ihr Konzept
radikaler Aufklärung entwirft, teilt sie das ungemein hellhörige Sprachbewusstsein. Zur Wirkung ihres Werks trägt bei, dass es die Lust am Selberdenken mit einem Stil verbindet, der die Nähe zur Alltagssprache nicht scheut und das Ideal dialogisch orientierter Prosa
unangestrengt verwirklicht.

Der Internationale Friedrich-Nietzsche-Preis wird verliehen für ein essayistisches, wissenschaftliches oder literarisches Einzel- oder Gesamtwerk zu philosophischen Gegenständen und Fragen. Er wird seit 2015 zweijährig alternierend in Naumburg und Basel durch die Friedrich-Nietzsche-Stiftung (Naumburg/S.) und die Elisabeth-Jenny-Stiftung (Riehen/CH) in Zusammenarbeit mit der Stadt Naumburg, der Bürgergemeinde der Stadt Basel und der Nietzsche-Gesellschaft e.V. vergeben. Bisherige PreisträgerInnen waren Martin Walser (2015) und Wolfram Groddeck (2017) und Ágnes Heller (2019). Er ist mit 15.000 Euro dotiert.

Die Laudatio hält Willi Winkler
Die Preisverleihung an Bettina Stangneth findet am Donnerstag, dem 25.08.2022, um 18.00 Uhr im Bürgergemeinderatssaal des Stadthauses in Basel statt. Die Laudatio hält Willi Winkler, Autor und Literaturkritiker der Süddeutschen Zeitung.


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